Monsterkopf
kann ich Ihnen nicht geben. Es ist nur zu spüren. Gewissermaßen zwischen den Zeilen. Ich glaube, dass die Menschen hier Angst haben. Ja, sie leiden unter einer Angst oder einer Bedrohung. Sie ist nicht zu sehen, aber sie ist vorhanden.«
»Können Sie das konkreter benennen?«
»Nein, nur schlecht. So etwas muss man fühlen, denke ich. Und das habe ich getan. Die Menschen hier sind nicht nur misstrauisch, das kennt man ja von mancher Landbevölkerung. Ich denke aber, dass sie richtig Angst haben.«
»Vor wem?«, fragte ich.
»Wenn ich das wüsste«, murmelte sie.
»Haben Sie keinen Verdacht?«
Kate Boone schüttelte den Kopf. »Ich bin überfragt, aber es könnte mit dem Selbstmord dieses Matt Ramsey Zusammenhängen und folgerichtig mit dem Tod meines Kollegen.«
»Ein Geheimnis also!«
Sie nickte Suko zu. »Wenn Sie so wollen.«
Er blieb weiterhin am Ball. »Der Parkplatz der Raststätte – was genau haben Sie dort alles gesehen, Kate? Lassen wir mal den Suizid des Truckers beiseite. Es gab da diese Gestalten, die Ihren Kollegen töteten.«
»Sie haben ihn brutal erschlagen«, flüsterte Kate.
»Wir konnten den Akten entnehmen, dass es Menschen waren, die kein Kleidungsstück an ihrem Körper trugen.«
»Genau das habe ich gesehen.«
»Männer und Frauen?«
Sie nickte.
»Und es waren Menschen?«
Nach dieser Frage stutzte Kate. »Was... was meinen Sie denn damit, Suko?«
»Beantworten Sie die Frage – bitte.«
»Ha, es waren Menschen.« Mit spöttischem Tonfall sprach sie weiter. »Ich kann wohl noch Menschen von Tieren unterscheiden.«
Ich mischte mich ein. »Ich weiß, es hört sich merkwürdig an, Kate. Aber wir haben schon des Öfteren Wesen erlebt, die zwar aussahen wie Menschen, in Wirklichkeit aber keine waren.«
»Wie soll ich das denn verstehen?«
»Es ginge zu weit, Ihnen das alles erklären zu wollen. Nur rechnen Sie damit, dass wir in Gebiete eindringen könnten, die für Sie fremd und unbegreiflich sind. Wie diese nackten Menschen eben.«
Es war zu sehen, dass sie eine Gänsehaut bekam. »Ja, sie waren schrecklich. Ich habe so etwas noch nie gesehen. Sie schlugen wie Berserker auf meinen Kollegen ein.« Die Erinnerung war so stark, dass sie ihr Tränen in die Augen trieb, aber sie riss sich zusammen und nickte uns zu. »Wissen Sie, ich habe das Gefühl, dass der Grund allen Übels hier oder hier in der Nähe von Egerton zu finden ist. Und da sollten wir uns auf die Suche machen.«
Leider wussten wir nicht, wonach wir suchen sollten, aber Kate hatte noch einen Anhaltspunkt für uns. Bevor sie darüber sprach, schaute sie uns intensiv an und sagte: »Bitte, lachen Sie mich nicht aus.«
»Auf keinen Fall.«
Kate Boone war so aufgeregt, dass sie nicht auf ihrem Platz sitzen bleiben konnte. Deshalb ging sie auf und ab. Trat mal an das Fenster, schaute hinaus, drehte sich wieder um und fragte uns dann: »Sie haben hier noch nicht viel gesehen – oder?«
Suko lächelte. »Wie sollten wir?«
»War auch nur eine Frage. Ich wohne seit zwei Tagen in Egerton. Ich konnte mich umschauen und habe auch mit Menschen gesprochen, in deren Wohnungen ich hin und wieder auch war. Und da ist mir etwas aufgefallen. So unterschiedlich die Wohnungen auch eingerichtet sind, es gibt doch eine Gemeinsamkeit.« Sie hob jetzt den Blick. »Und zwar das Bild. Oder besser gesagt: das Motiv.«
»Was zeigte es?«, fragte ich.
»Einen Kopf«, flüsterte sie. »Es zeigte einen Kopf, und ich würde ihn als Monsterkopf bezeichnen.«
»Warum? War es ein Totenschädel?«
»Nein, Suko, das nicht. Aber dieser Kopf ist trotzdem nicht normal. Der Maler war perfekt. Er hat das Gesicht oder diesen Kopf aus lauter nackten Körpern gemalt.«
Suko und ich schauten uns an. Keiner von uns sagte zunächst ein Wort.
»Warum sagt ihr denn nichts?«
Ich hob die Schultern, und Suko tat es mir nach.
»Ihr glaubt mir nicht, wie?«
Ich stellte eine Gegenfrage. »Wo haben Sie die Bilder denn überall gesehen, Kate?«
Sie stand mitten im Zimmer und sagte erst mal nichts. Dann aber deutete sie mit einer Kopfbewegung zu Boden und wollte wissen: »Waren Sie schon im Gasthaus selbst?«
Wir verneinten.
»In der Gaststube hängt ebenfalls eines dieser Bilder. Gehen Sie hin und schauen Sie es sich an. Es ist der Monsterkopf, und man hat ihn so perfekt gemalt, wie nur eben möglich. Verdammt realistisch, kann ich nur sagen.« Sie versuchte, ihn auch mit den Händen zu beschreiben, und bewegte sie entsprechend. »Es ist kaum zu
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