Monströs (German Edition)
schnell genug zu verarbeiten. Die Schmerzen waren unerträglich. Sein Arm, der Kopf, die Rippen und sein Finger, seinen ganzen Körper durchströmten Schmerzen. Aber die Mitteilung, dass Selma ihn nur hatte treffen wollen, indem sie die Hoffnung in ihm geschürt hatte, dass Anna noch leben könnte, traf ihn noch mehr. Und wenn Selma die Schreiberin der E-Mails war, hatte sie dann auch die Menschen im Hotel getötet? Das war völlig abwegig. Sie schien seine Gedankengänge lesen zu können.
»Mattfeld, Dr. Baltes, Udo und Eddie Kaltenbach und du. Diese fünf Personen stehen auf meiner Todesliste«, sagte sie. Sie hielt die Pistole in ihrer Hand hoch. »Die hier ist übrigens seine.« Sie deutete mit einem Kopfnicken auf Eddie. »Den Bullen werde ich sagen, ich hätte sie draußen im Schnee gefunden, als ich mit den Skiern hergefahren bin, um dir zu helfen. In Wahrheit hab ich sie ihm abgenommen, als ich ihn nach seiner Ankunft vor dem Hotel mit einem Elektroschocker niedergestreckt habe.«
Sie hat es zugegeben, dachte Martin. Sie war es, nicht Eddie Kaltenbach. Sie hat die Menschen im Hotel auf dem Gewissen. Er starrte Selma mit halboffenem Mund an. Der Schock der Erkenntnis saß wie ein Kloß in seinem geschundenen Hals. Erst nach einer scheinbaren Ewigkeit war Martin imstande, sich zu artikulieren, wenn auch nur langsam und mühselig. Sein ganzes Denken und Reden glich einer Schlittenfahrt ohne ausreichenden Schnee. Es war frustrierend. Selma war seine Vertraute gewesen, die Person, der er nach Annas Freitod am ehesten sein Leben anvertraut hätte und jetzt stellte sich heraus, dass sie eine Mörderin war, mehr noch, sie wollte ihn umbringen. Aber Zurbriggen stand nicht auf ihrer Liste. Higgins auch nicht, genauso wenig wie Eddies Frau. Doch auch sie waren tot.
»Warum?«
Selma lachte hysterisch auf. Sie warf dabei ihren Kopf zur Seite und wischte sich eine Strähne ihrer blonden Haare aus dem Gesicht. Nichts erinnerte mehr an die Frau, die er kannte. Ihre Züge waren auf einmal vollkommen hasserfüllt.
»Du hast vor sieben Jahren einen Mord beobachtet, den Mord an meinem Mann. Anna hat mir verraten, dass du Eddie Kaltenbach erkannt hast, aber um sie zu schützen, vor Gericht eine falsche Aussage gemacht hast. Sie hat mir alles erzählt. Du hast dafür gesorgt, dass der Mörder meines Mannes bis heute frei herumlief.«
Martin überraschte es nicht, dass Anna sich ihrer vermeidlich besten Freundin mit all ihren Sorgen anvertraut hatte. Er war jedoch überzeugt, dass Anna genauso wenig wie er gewusst hatte, dass Selma die Ehefrau des ermordeten Polizisten gewesen war.
»Es ging um das Leben meiner Frau«, sagte er. »Udo Kaltenbach hatte Anna während des Prozesses in seiner Gewalt und sie massiv bedroht. Wenn ich die Falschaussage nicht gemacht hätte, hätte er sie getötet. Dein Mann war bereits tot, meine Aussage hätte ihn nicht wieder lebendig gemacht.«
»Sehr geschickt formuliert, Herr Strafverteidiger. Ich bekomme fast Mitleid mit dir. Mein Mann hat große Stücke auf dich gehalten.«
»Dein Mann?«
»Ja, er kannte dich. Du warst damals ziemlich gut, in dem, was du getan hast. Knut hatte einen Termin bei dir, als dieses Monster«, dabei zeigte sie mit der Pistole auf Kaltenbach, »ihn, kurz bevor es dazu kam, im Park gefunden hat.«
Sie machte eine kurze Pause und sah Martin direkt in die Augen, um die Wirkung ihrer folgenden Worte noch zu unterstreichen.
»Er hätte nicht sterben müssen, wenn du pünktlich gewesen wärst.«
Martin konnte es nicht glauben.
»Dein Mann war der anonyme Anrufer, der mich an diesem Nachmittag unbedingt sprechen wollte?«, flüsterte er fassungslos.
Selma schloss die Augen und sprach leise weiter. Offenbar fiel es ihr immer noch nicht leicht über das, was geschehen war, zu sprechen.
»Er war zur verabredeten Zeit in deiner Kanzlei. Deine Sekretärin sagte ihm, dass es noch dauern könne. Du seist auf einem Außentermin. Er wartete eine halbe Stunde. Dann wurde er unruhig. Er fühlte sich im Wartezimmer deiner Kanzlei wie auf dem Präsentierteller. Schließlich hielt er die Warterei nicht mehr aus und ging hinaus in den Park, um sich dort zu verstecken. Wahrscheinlich hat Eddie Kaltenbach ihn schon beim Rauskommen beobachtet. Knut rief mich an und sagte, dass er Angst hat, weil er in Mattfelds Organisation aufgeflogen war. Als du dann endlich mit deinem Fahrrad angeradelt kamst, auf dem Weg in die Kanzlei, wurdest du Zeuge, wie Eddie Kaltenbach meinen Mann
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