Monströs (German Edition)
eine Familie zu gründen, einer anständigen Arbeit nachzugehen, ein Haus zu bauen und den Rest seines Lebens, die Schulden dafür abzubezahlen. Das Reihenhaus, dessen Keller Ram zu seinem Distrikt, wie er es nannte, gemacht hatte, stand Mauer an Mauer mit dem Haus der Wallers, in dessen Keller sich wiederum Martin mit seinem Sohn Paul eingerichtet hatte.
Ram hatte die unschöne Angewohnheit extrem lauten Punkrock zu hören, während er seiner Hackerei am Computer frönte. Zu Martins und Pauls Leidwesen war Ram ein Nachtmensch, und da die Wände der Reihenhäuser dünn waren, raubte seine laute Musik ihnen den Schlaf. Nach drei Tagen hatte Martin genug und ging zum Gegenangriff über. Er hatte mit Paul und Karl am frühen Morgen einen ausgedehnten Spaziergang unternommen. Danach waren sie zusammen in die Stadt gefahren und hatten zu Mittag gegessen. Erst als sie am späten Nachmittag wieder nach Hause kamen, hatte er seine seit den Morgenstunden voll aufgedrehte Stereoanlage, welche die erste CD von Green Day in einer Endlosschleife wiedergegeben hatte, ausgeschaltet. Am Abend, als er sich gefragt hatte, ob seine Aktion wohl gefruchtet hatte, bekam er eine E-Mail von Ram. Die Tatsache, dass er Ram noch nie persönlich begegnet war und nicht glaubte, dass Ram wusste, wer im Nachbarkeller vor drei Tagen eingezogen war, ließ ihn zum ersten Mal erahnen, mit welchen Talenten Ram gesegnet war, wenn es ihm so mir nichts dir nichts gelungen war, Martins E-Mail-Adresse herauszufinden.
Ram hatte ihm Folgendes mitgeteilt:
Habe verstanden, ich will schlafen, du willst schlafen. Ab heute Nacht benutze ich Kopfhörer.
P.S. Danke, dass du Green Day ausgesucht hast und nicht Whitney Houston.
Daraus war ein regelmäßiger Emailkontakt entstanden. Seltsam fand Martin nur, dass sie nebeneinander wohnten, aber nur auf diesem Wege kommunizierten. Irgendwann hatte er einfach bei den Rats, so hießen die Nachbarn, geklingelt und gefragt, ob er Ram sprechen könne. Rams Eltern hatten Martin darauf hingewiesen, dass ihr Sohn nicht Ram, sondern Eric hieße, Eric Rat. Außerdem hätten sie strikte Anweisung von ihrem Sohn, niemanden in seinen Distrikt zu lassen, ohne ihn vorher zu fragen. In diesem Moment schlurfte Ram die Kellertreppe hinauf.
Er trug ein zerrissenes schwarzes T-Shirt mit der weißen Aufschrift Ramones. Seine Haare waren pechschwarz und standen in alle Himmelsrichtungen ab, wobei Martin nicht wusste, ob das cool sein sollte oder einfach nur ungepflegt war. Um die Augen war Ram schwarz geschminkt, außerdem benutzte er Wimperntusche. Er trug eine hautenge schwarze Lederhose mit seitlichen Nieten und darauf blaue Chucks, die vor Dreck standen. Seine Gestalt war dünn und seine Hautfarbe fast durchscheinend weiß.
»Bist Du Martin?«, schnaufte er.
Martin nickte.
»Komm mit!«, sagte Ram und ging wieder hinunter in sein Reich. Martin ging mit einem verlegenen Schulterzucken an Rams Eltern vorbei und folgte ihm. Der Kellerraum, in den Ram ihn führte, war mehr als eine normale Junggesellenbude. Es war das typische Zimmer eines total irren Computerfreaks.
An der Wand vor dem Schreibtisch hingen drei Flachbildmonitore, auf denen unterschiedliche Internetseiten flimmerten. An einer anderen Wand hing eine Leinwand und an der gegenüberliegenden Decke ein Beamer.
Ram nickte in die Richtung der Leinwand und sagte:
»Die brauche ich zum Zocken. Lust auf eine Partei Fall out?« Martin war klar, was Ram meinte. Er benutzte die Leinwand als Bildschirm für Konsolen- oder Computerspiele. Er schüttelte den Kopf.
»Dann eben nicht«, sagte Ram mürrisch.
Vor der Leinwand stand ein völlig abgeschabter Ledersessel. Davor ein Lenkrad, ein kleiner Beistelltisch mit diversen Joysticks und am Boden verschiedene Pedale. Ram nannte das seine Kommandobrücke. Eine Anspielung auf die Schaltzentrale des Raumschiffes Enterprise. Auf dem Boden vor der Leinwand standen diverse Spielkonsolen sowie eine Soundanlage, welche die in den Ecken stehenden Boxen speiste.
Völlig deplatziert zwischen einem mit Farbstiften verkritzelten Kühlschrank, der aussah, als hätte er schon zwanzig Jahre auf dem Buckel und einer düsteren Batman Puppe in Lebensgröße, stand ein zerwühltes Bett, das den Aufklebern auf dem Rahmen nach noch aus Kindertagen stammen musste. Über dem Bett hing ein Poster der Ramones und daneben eines der Sexpistols. Zwischen den Postern hing eine alte Dartscheibe. Drei Pfeile steckten in der Scheibe, einer in dem Posterkopf des
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