Monströs (German Edition)
Sängers der Sexpistols. Das Zimmer hatte nur zwei Lichtschächte, durch die nur wenig gedämpftes Tageslicht kam und ansonsten keine natürliche Lichtquelle. Stattdessen standen verstreut im Raum kleine Schreibtischlampen, die ein kahles Halogenlicht verbreiteten.
Unter dem Schreibtisch stapelten sich Pizzaschachteln, leere Bier- und Colaflaschen. In einem offenen Holzregal lagen ein paar Kleider, auf dem untersten Regalboden standen eine Pappkiste mit billigem Rotwein und ein paar Doc Martins Stiefel.
Ram pflanzte sich auf eine, ebenso wie der Sessel abgewetzte Ledercouch, zündete sich eine Zigarette an und breitete die Arme aus.
»Hab hier alles, was ich brauche. Hier drin geht mir keiner auf den Sack. Sobald ich raus gehe, sieht das ganz anders aus. Also warum sollte ich mir das antun?«
»Vielleicht, weil der Mensch ein soziales Wesen ist und ab und zu ein paar Sonnenstrahlen ganz gut tun?«, sagte Martin mit einem Grinsen im Gesicht.
Ram winkte ab.
»Meine sozialen Kontakte finden im Netz statt und die Kraft der Sonne wird überschätzt.«
Aus dem geplanten Kurzbesuch wurde ein langes Gespräch, bei dem sie über Musik und das Leben redeten. Martin stellte fest, dass er mit Ram, obwohl sie äußerlich und auch dem Alter nach verschieden waren, trotzdem auf einer Wellenlänge lag.
Danach hatten sie sich nicht mehr oft persönlich gesehen. Regelmäßigen Kontakt hatten sie aber weiter über das Internet per Videotelefon, Chat und Online-Spiele. Erst Wochen später hatte Martin Ram gefragt, womit er seine Computerleidenschaft finanzierte und Ram hatte ihm geantwortet, dass es genug Leute gäbe, die für seine Talente bereit wären, etwas springen zu lassen. Mehr wollte Ram dazu nicht sagen. Doch im Klartext hieß das nichts anderes, als dass Ram sich seinen Lebensunterhalt mit dem illegalen Eindringen in fremde Datennetze verdiente.
Martin war sich mit der Zeit auch bewusst geworden, welche Ehre es gewesen war, dass Ram ihn in seinen Distrikt gelassen hatte. Wie Ram ihm irgendwann mitteilte, kamen pro Jahr, wenn es hochkam, zwei bis drei Menschen in diesen Genuss.
Jetzt war es soweit, dass Martin ausprobieren konnte, was Ram drauf hatte. In kurzen Worten bat er ihn, herauszufinden, wer die E-Mail an ihn geschickt hatte. Dann setzte er sich aufs Bett und schaute ohne einen bestimmten Gedanken aus dem Fenster. Die Dunkelheit schien die umliegenden Berge aufgefressen zu haben. Nichts verriet mehr, dass er sich in über dreitausend Metern über dem Meeresspiegel befand. Gut so, die Farbe schwarz war ihm lieber als weiß. Er wusste nicht mehr, wie lange er gedankenverloren vor sich hingestarrt hatte, als ein leiser Ton und ein blinkendes Briefsymbol auf dem Notebook, den Eingang einer neuen Nachricht meldete.
Dein Schatz hatte die Antwort auf seine Frage, wer bist du? geschickt:
Lieber Martin,
ich bin es, Anna. Ich liebe dich und bald hole ich dich zu mir. Vertrau mir!
Geschockt klappte er das Display des Notebooks zu. Anna hätte ihn und Paul niemals drei Jahre lang trauern und leiden lassen, wenn sie nicht tot gewesen wäre. Die Person, die ihm heute schrieb, wollte nur eines, ihm weitere Schmerzen zufügen. Dennoch kramte er in seinem Gedächtnis nach einem Beweis dafür, dass die Frau in dem Sarg wirklich Anna gewesen war. Die Tote hatte auf den ersten Blick wie Anna ausgesehen. Aber er hatte sie nur einen kurzen Moment ansehen können, dann hatten ihn seine Gefühle übermannt und er musste weggehen. Ob er es wollte oder nicht, er bekam plötzlich Zweifel. Theoretisch hätte auch eine Frau die Anna nur sehr ähnlich sah, dort gelegen haben können. In dem Zustand, in dem er sich damals befand, hatte er nicht auf Details geachtet. Aber da waren noch Annas Eltern. Annas Vater war Pfarrer in einer kleinen Gemeinde bei Bremen. Annas Mutter und Vater konnten Martin nicht leiden, weil er in ihren Augen als Strafverteidiger dafür sorgte, dass Verbrecher wieder auf freien Fuß kamen. Aber der eigentliche Grund war, dass Anna wegen Martin nach dem Studium nicht zu ihnen zurückgekehrt war. Als ihr Enkelkind Paul dann auch noch katholisch getauft wurde und auch Anna zu dieser Glaubenslehre konvertierte, kannte ihre Verärgerung keine Grenzen mehr. Zu Annas Beisetzung waren sie erschienen und zuvor hatten sie in der Leichenhalle den Sarg öffnen lassen und ihr Kind betrachtet. Wenn es nicht Anna gewesen wäre, dann hätte es ihnen auffallen müssen. Nach der Beerdigung waren sie sofort wieder abgereist. Ein
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