Monströs (German Edition)
bei einem guten Horrorfilm in die Glieder fährt. Unerwartet und mit dem Potential, einen in abgrundtiefe Angst und Panik verfallen zu lassen. Nur war das hier kein Film. Er saß nicht im Dunklen auf einer gemütlichen Couch und aß Popkorn. Das hier war die Realität. Martin machte reflexartig einen Schritt zurück. Er riss den Mund auf, um etwas zu sagen, verkniff es sich dann aber im letzten Moment. Wenn er offenbarte, dass der Name des Mannes Eddie Kaltenbach war, dann wäre die nächste Frage, woher Martin ihn kannte. Nur, zu diesem Teil seines Lebens war er unter keinen Umständen bereit, etwas preiszugeben.
Bumann kam mit ein paar Decken und einem Kissen zurück. Sie zogen Kaltenbach die nassen Kleider vom Leib und packten ihn in die Decken. Martin stand daneben und dachte fieberhaft darüber nach, was Eddie Kaltenbach hier oben zu suchen hatte. Egal was es war, es konnte nur Ärger bedeuten. Martin glaubte nicht an Zufälle. Annas E-Mails, heute an ihrem dritten Todestag und das Auftauchen von Kaltenbach, sieben Jahre nach dem Prozess, hatten etwas miteinander zu tun. Aber was? Und warum geschah es ausgerechnet heute, hier oben in einem einsamen Berghotel? Vielleicht war es ausnahmsweise doch nur ein wahnsinniger Zufall, dass Kaltenbach hier vor ihm lag? Wohl kaum. Nun kamen auch Selma und Meier, der aussah wie Higgins, hinzu und Zurbriggen erklärte ihnen, was geschehen war. Sie standen jetzt ebenfalls geschockt neben dem Sofa, während Walter Zurbriggen, Ernst Söder und Eugen Bumann darüber spekulierten, was der Mann da draußen wohl gemacht haben könnte. Seine Kleidung entsprach nicht den Wetterverhältnissen. Sie kamen darin überein, dass er sich irgendwo draußen verletzt haben musste, vielleicht war er gestolpert und hatte sich mit letzter Kraft zum Hotel geschleppt. Martin bekam ihr Gespräch nur gedämpft mit, obwohl sie laut und deutlich miteinander sprachen. Er stand völlig neben sich.
Selma zupfte ihn am Pullover.
»Was ist denn mit dir los? Du bist ja ganz bleich«, sagte sie.
Zu den Fragen, die in Martins Kopf herumschwirrten, machten ihm die starken Kopfschmerzen zu schaffen. Das Denken fiel im schwer. Er beschloss, im Moment auch Selma gegenüber für sich zu behalten, dass er den Bewusstlosen auf der Couch kannte.
»Es ist ... alles in Ordnung«, stammelte er.
Schließlich tauchte Marianne Seewald auf. Langsam bewegte sie sich auf ihren Stock gestützt auf die Gruppe zu. Sie warf einen kurzen Blick auf den Mann. Für einen Moment weiteten sich ihre Augen und offenbarten den Hauch einer Gefühlsregung. Kurz schaute sie zu Söder herüber, der ihren Blick ebenso kurz erwiderte.
»Meinen Sie, er übersteht es?«, fragte Sie Zurbriggen.
»Schwer zu sagen.«
»Ich glaube schon, dass er es packt«, warf Bumann ein.
»Woher wollen Sie das wissen«, sagte Martin. »Wir sollten umgehend einen Arzt verständigen.«
»Das wäre selbstverständlich möglich«, sagte Bumann. »Allerdings wird bis morgen früh kein Arzt hier heraufkommen. Die Bahn kann bei diesen Wetterverhältnissen nicht fahren.« Bumann lachte ihm verschmitzt zu und Martin wurde das Gefühl nicht los, dass Bumann als Einzigem die Entwicklung an diesem Abend mittlerweile Spaß machte.
Schließlich war es Marianne Seewald, die das kurze Schweigen brach.
»Legen sie ihn in eines der Zimmer hier unten im Angestelltentrakt. Wenn er in einer Stunde nicht zu sich gekommen ist, verständigen wir den Arzt im Tal. Mehr können wir nicht tun. Wir sollten keine groß angelegte Rettungsaktion heraufbeschwören, wenn es nicht wirklich ernst ist und im Moment, denke ich, können wir das noch nicht abschätzen.«
Zurbriggen nickte zustimmend. Die Männer schoben den Fremden mitsamt der Couch zu einem freien Angestelltenzimmer und legten ihn dort ins Bett. Als sie hinausgingen, hielt Martin Zurbriggen am Arm zurück.
»Warten Sie kurz«, flüsterte er ihm zu.
Die anderen gingen voraus, während Zurbriggen und Martin die Tür schlossen und im Flur innehielten.
»Was ist?«, fragte Zurbriggen.
»Haben Sie schon in Betracht gezogen, dass der Mann auch ein Einbrecher oder ein Dieb sein könnte?«
Zurbriggen zog die Augenbrauen hoch.
»Wenn ich ehrlich bin, nein.«
»Wenn es so ist, könnte der Mann aber durchaus gefährlich sein. Ich würde mich sicherer fühlen, wenn ich wüsste, dass die Tür hinter der er liegt, abgeschlossen ist.«
Zurbriggen überlegte kurz. Dann nickte er.
»Stimmt, Vorsicht ist besser als Nachsicht. Der
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