Monströs (German Edition)
konnte. Anna hatte von Anfang an Angst gehabt und sie sollte Recht behalten. Wenn er gewusst hätte, was er mit seiner Anzeige bei der Polizei und seiner Hilfe bei der Anfertigung eines Phantombilds des Mörders anrichten würde. Er hätte das Geheimnis mit in sein Grab genommen. Und jetzt sah er sich mit dem Mann konfrontiert, der ein Mörder war, den er auf der Polizeiwache eindeutig identifiziert hatte, um dann vor Gericht zu behaupten, er habe sich geirrt, der Mann auf der Anklagebank sei nicht der Mann, der einen verdeckten Ermittler der Polizei kaltblütig erschossen habe.
Martin merkte, wie sich eine extreme Hitze in ihm ausbreitete. Allein die Gedanken, an die Geschehnisse vor sieben Jahren, deren Ausgangspunkt Eddie Kaltenbach gewesen war, lösten diese Stressreaktion seines Körpers aus. Er musste sich zwingen, die Bilder zu verdrängen. Schon einmal hatte er den Fehler gemacht, zu tief darin einzutauchen und war abgerutscht in einen Sumpf aus Alkohol und Depressionen. Er musste an etwas anderes denken. Aber an was? Er nahm ein Bild seines Sohnes aus seinem Geldbeutel. Sein strahlendes, unschuldiges Lachen hatte ihm schon über so manche Krise hinweggeholfen, insbesondere, wenn er versucht war, etwas zu trinken. Einige schöne Momente, die er mit Paul erlebt hatte, gingen ihm durch den Kopf. Dabei zuckte sogar ein Lächeln über seine Lippen. Er nahm eine kleine Flasche Wasser aus der Minibar und trank sie ohne abzusetzen aus. Dann öffnete er das Fenster und streckte den Kopf in den eisigen Wind. Er hielt die Luft solange er konnte an. Nach ein paar Minuten ging es ihm besser. Er würde morgen abreisen. Er konnte den Job nicht machen, musste weit weg von Kaltenbach. Er wollte zurück zu Paul, zurück in die Geborgenheit ihrer Kellerwohnung. Zurbriggen würde es nicht gefallen, wenn er so mir nichts dir nichts den Auftrag hinschmeißen würde, aber er würde jemand anderen finden. Es war noch genug Zeit bis zur Neueröffnung der Hotels und Selma würde er alles erklären, wenn Sie im Frühling in ihrem Urlaub nach Frankfurt käme. Er würde morgen in aller Frühe sein Werkzeug aus dem Keller holen und mit der ersten Bahn ins Tal fahren. Wer wollte ihn daran hindern? Dann fiel sein Blick auf das Notebook und im gleichen Moment fielen ihm die mysteriösen E-Mails wieder ein. Zaghaft klappte er das Notebook auf und startete den Rechner. Weitere fünf Minuten vergingen, in denen er regungslos vor dem Bildschirm saß und das Icon für das E-Mail-Programm ansah. Immer wieder fuhr er mit dem Mauszeiger darauf, klickte es aber nie an. Am Ende entschloss er sich, nicht nachzusehen, ob Ram bereits etwas herausgefunden hatte. Er konnte jetzt, wo er sich gerade beruhigt hatte, nicht noch mehr Aufregung gebrauchen. Statt dessen machte er sich fertig zum Schlafen, und bevor er sich hinlegte, nahm er zur Sicherheit noch eine der mitgebrachten Schlaftabletten. Es wunderte ihn selbst, wie ruhig er auf einmal war. Er sah sich im Geiste abreisen und heimkommen, Paul in die Arme nehmen und irgendwann über diesen Gedanken tat die Tablette ihre Wirkung und er schlief ein.
14
Martin hatte das Gefühl gerade einmal fünf Minuten geschlafen zu haben, als er hellwach aufschreckte und kerzengerade im Bett saß. Ihm war unerträglich heiß und er stieß die Bettdecke zur Seite. Gleichzeitig fühlte er eine innere Aufgewühltheit, sein Atem ging schnell. Er wischte sich den dünnen Schweißfilm von der Stirn und starrte auf die roten Leuchtziffern seines Reiseweckers. Es war elf Minuten nach zwei. Er hatte nur drei Stunden geschlafen und fühlte sich trotz der Schlaftablette völlig aufgedreht. Auch seine Kopfschmerzen waren keinen Deut besser. Er hatte gelesen, dass manche Menschen in dieser extremen Höhe, in der sich das Hotel befand, Probleme mit dem Schlafen hatten. Doch die Symptome, die er bei sich wahrnahm, waren ihm auch so bestens bekannt. Es war die typische Art, wie sein Körper auf übermäßige Anspannung und psychischen Stress reagierte. Wie selbstverständlich schossen ihm zuerst die Gedanken in den Kopf, die ihn so stark belasteten. Aus welchem Grund war Eddie Kaltenbach hier in diesem Hotel? Wer hat die E-Mails unter dem Namen meiner Frau geschrieben? War es vielleicht wirklich Anna, lebte sie doch noch? Wen hatten sie dann vor drei Jahren beerdigt? Er spürte, dass er im Begriff war, sich an eine Hoffnung zu klammern, die mit Sicherheit unerfüllt bleiben würde. Er wusste, wenn er sich weitere emotionale
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