Monströs (German Edition)
tun hatte. Es musste so sein. Kaltenbach war nicht zufällig hier und hatte Martins Namen an den Badspiegel seines Zimmers geschrieben. Sie hatten Eddie Kaltenbach bewusstlos vor dem Hotel gefunden. Er hatte Martin nicht gesehen. Also wusste Kaltenbach schon vorher, dass er hier war, und hatte es von Anfang an auf ihn abgesehen. Aber was hatte Söder damit zu tun? Martin war sicher, ihn noch nie zuvor gesehen zu haben. Aber Söder kannte ihn, angeblich aus der Zeitung, wegen des Prozesses vor sieben Jahren. Unwahrscheinlich, dass Söder sich nach so langer Zeit noch so gut erinnerte. Es sei denn, er hatte etwas mit dem zu tun, was damals geschehen war.
Im ersten Moment war es einfach zu viel für Martin. Am liebsten hätte er sich in eine Ecke verkrochen, sich unsichtbar gemacht und gehofft, dass irgendjemand käme, um dem Wahnsinn ein Ende zu setzen. Aber wer sollte das sein? Es dauerte noch Stunden, bis der erste Zug am Hotel ankäme. Und was war mit Selma? Sie hatte ihn befreit, als ihn die anderen gefesselt in Marianne Seewalds Wohnung zurückgelassen hatten. Er musste ihr helfen. Bei dem Gedanken, wieder in den Korridor treten zu müssen, verkrampfte sich sein Magen. Aber Selma war der einzige Mensch auf der Welt, zu dem er nach Annas Tod ein persönliches Verhältnis aufgebaut hatte. Alle anderen vorher bestehenden Freundschaften hatte er im Sande verlaufen lassen. Er hatte das Mitgefühl nicht mehr ertragen. Und auch nicht, die früheren Nachbarn mit ihren Kindern und Ehefrauen, deren Leben weiterging, während seines und Pauls Leben sich so radikal verändert hatte. Paul und er hatten nach Annas Tod auf einmal nicht mehr in die Vorstadtsiedlung gepasst, in der sie sich einst so geborgen und wohl gefühlt hatten. Obwohl der eigentliche Niedergang ihrer kleinen Familie bereits vier Jahre früher begonnen hatte, mit seiner Falschaussage vor Gericht. Aber er hatte keine andere Wahl gehabt. Jeder hätte in dieser Situation so gehandelt. Er hatte gedacht, wenn Paul auf die Welt käme, würde Anna wieder so ausgelassen und fröhlich werden wie früher. Aber das Gegenteil war eingetreten. Nach der Geburt ihres Sohnes wurde es nur noch schlimmer. Die Ärzte hatten ihnen gesagt, dass es sich um eine postpartale Depression handle, die relativ häufig nach der Geburt eines Kindes auftreten könne. Aber während diese Art der Depression mit der Zeit nachließ, war Annas Gesundheitszustand unverändert geblieben und hatte sich eher noch verschlechtert.
Noch immer stand er an der Wand, die seinen Körper stützte. Er machte einen vorsichtigen Schritt in Richtung der Werkbank, als ob der Boden nachgeben könnte. Seine Beine waren wie Pudding. Nach ein paar Schritten ging es besser. Er wühlte in seiner Werkzeugkiste, nahm eine Zange, eine Säge und einen Hammer hervor. Schließlich entdeckte er ganz unten in der Kiste sein Schnitzmesser. Die kleine Klinge war scharf wie ein Rasiermesser. Als sein Blick neben die Werkbank viel, sah er eine verrostete Eisenstange. Mit ihr und dem kleinen Messer bewaffnet, trat er in den Kellergang. Er wusste, dass diese Waffen gegen eine Schusswaffe nichts ausrichten konnten. Aber es war besser als nichts und seltsamerweise gab es ihm Kraft, etwas in der Hand zu haben.
34
Ernst Söder hatte im Vorbeigehen nur einen kurzen verächtlichen Blick auf den Koch Hans Meier geworfen, der sich unter dem Schreibtisch hinter der Rezeption verkrochen hatte. Wäre er näher herangegangen, hätte er feststellen können, dass Meier bereits nicht mehr am Leben war.
Mit äußerster Vorsicht schlich Söder zum Büro des Direktors. Er griff mit der Hand um die Ecke, fand den Lichtschalter und betätigte ihn. Sogleich leuchteten die beiden Neonröhren an der Decke das Vorzimmer zum Büro des Direktors aus. Es war sauber. Jetzt drückte er die Türklinke zu Zurbriggens Bürozimmer hinunter, ließ die Tür aufschwingen und ging neben dem Türrahmen in Deckung. Nichts. Er ließ schnell seinen Kopf hinter dem Rahmen hervor und wieder zurückschnellen. Es blieb alles ruhig. Mit einem Satz und der Pistole im Anschlag sprang er in das Zimmer. Der Lauf seiner Pistole folgte seinen schnellen, jeden Winkel des Zimmers absuchenden Blicken. Es war niemand hier. Das einzige Geräusch, das er vernahm, war das monotone Rauschen des im Computergehäuse eingebauten Ventilators. Der Raum war in das bläuliche Licht getaucht, welches das Display des PC-Monitors verströmte.
Er ging hinter den Schreibtisch und legte
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