Monströs (German Edition)
las die Botschaft, die in so großen Buchstaben darauf gedruckt war, dass sie das ganze Blatt ausfüllten:
Du solltest in meinem Computer nachschauen!
Söders Blick fror ein, als er die Zeilen las. Mechanisch zerknüllte er das Papier und ließ es achtlos zu Boden fallen. Plötzlich hatte er es sehr eilig, den Raum zu verlassen. Er brauchte Gewissheit und er hoffte inständig, dass es nicht das war, was er annahm.
32
Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Es roch modrig und nach verfaulten Lebensmitteln. Durch die Spalte der nur hüfthohen und grob verbretterten Tür fielen Lichtstrahlen aus dem Nebenraum hinein. Sie blickten sich um, konnten aber weder erkennen, wie groß der Raum war, noch was sich in ihm befand. Bumann ging in die Knie und betastete den weichen Boden. Sie standen auf Sand. Dieser Raum war nie fertig ausgebaut worden. Er lag an der äußersten Westseite des Hotels und hatte nicht einmal ein Fundament. Selma schob sich an den groben Steinwänden entlang, andauernd stolperte sie über kleine Unebenheiten des Bodens. Ein ums andere Mal legten sich Spinnweben über ihr Gesicht und ihre Hände. Als sie wieder an der Tür angelangt war, konnte sie zumindest sagen, dass an den Wänden keine Gegenstände standen. Es war einfach nur ein leerer, dreckiger Raum.
»Was jetzt?«, fragte sie Bumann.
Doch der antwortete nicht und sehen konnte sie ihn auch nicht.
»Eugen, ist alles in Ordnung?«
Wieder nichts. Vorsichtig schob sie sich in der Dunkelheit zu dem Platz vor, wo sie ihn vermutete. Sie ertastete seinen Arm und spürte sofort, dass er zitterte. Sie fasste ihn an beiden Oberarmen und schüttelte ihn ein wenig.
»Eugen, komm zu dir, wir kommen schon wieder hier raus. Wenn er uns hätte töten wollen, hätte er es eben getan.«
Doch Bumann hatte keine Angst davor, in einem kleinen Raum bei völliger Dunkelheit eingeschlossen zu sein. Es war auch nicht der Schock, den Zurbriggens grausam verstümmelte Leiche und die Fotos ohne Zweifel hinterlassen hatten. Es war die Zusammenballung aller Ereignisse. Und dabei war es das, was er jetzt auf dem Boden in dem dünnen Lichtstrahl, der durch die Schlitze der Tür fiel, sah, was ihm den Rest gab.
»Da«, sagte er mit bebender Stimme. Er nahm Selmas Kopf mit beiden Händen und drehte ihn in die Richtung, wo der Lichtstrahl den Boden streifte.
Was dort aus dem Sand herausragte, war nur schemenhaft zu erkennen und dennoch so eindeutig, dass Selma ein Schrei des Entsetzens entfuhr.
Es war das Skelett einer Hand, an der zwei Finger fehlten. Mit einem Mal war klar, worüber Selma beim Erkunden des Raumes gestolpert war. Es waren keine Steine oder Stöcke, wie ihre Phantasie es ihr hatte glauben machen wollen. Es waren Schädel und Knochen gewesen. Sie hatten hier die Antwort auf die Frage, die sie sich vielleicht absichtlich nie gestellt hatten. Wohin hatte Zurbriggen die Leichen seiner Opfer verschwinden lassen? Die Antwort war: Er hatte sie in diesem Raum vergraben, genauso wie seine Großeltern von seinem Vater schon hier beerdigt worden waren. Und das Kreuz draußen im Korridor prangte nicht am Ende des Ganges, sondern vor dem zugemauerten ursprünglichen Zugang zu diesem Verlies.
33
Martin Waller trat vorsichtig vor seine Zimmertür in den Flur der ersten Etage. Lautlos schlich er in Richtung der Treppe. Die Tür zum Treppenhaus war geschlossen und er konnte nur hoffen, dass dahinter nicht Eddie lauerte, als er sie schnell aufzog. Doch auch hier war keine Menschenseele. Erleichtert atmete er aus. Plötzlich drang Lärm aus dem darüber liegenden Stockwerk. Kurz schreckte Martin zusammen und zog sich wieder in den Flur zurück. Dann erst wurde ihm klar, dass er das Geräusch kannte. Kaltenbach war dabei, die Zimmertüren in der zweiten Etage einzutreten. Der Psychopath war jetzt eine Etage höher auf der Suche nach ihm. Das war Martins Chance. Er lief, so schnell er konnte, die Treppe hinunter. Unten ließ er den schmalen Gang mit der Tür zu Zurbriggens Büro hinter sich und gelangte an die Rezeption. Er schaute sich um. Keine Spur von Selma und den anderen. Plötzlich nahm er ein leises Wimmern wahr. Er schaute über die Theke und sah einen Mann, der in Fötushaltung unter dem Schreibtisch kauerte und sich auf die zusammengeballte Faust biss. Es war der Koch Hans Meier.
Martin lief um die Theke herum und beugte sich zu Higgins, wie er ihn insgeheim nannte, hinunter. Sanft fasste er ihn an den Armen.
»Was ist passiert?
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