Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monströs (German Edition)

Monströs (German Edition)

Titel: Monströs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Karlden
Vom Netzwerk:
erhalten sollte, und wie die Inschrift auf dem Holzkreuz und später auf dem Grabstein lauten sollte. Er sah sich stundenlang regungslos neben Paul sitzen, nicht fähig aufzustehen oder zu sprechen. Das Gefühl, selbst nicht mehr weiter atmen zu wollen. Die Tage und Wochen, die wie in Nebel gehüllt waren. Schleierhaft und gedämpft war seine Wahrnehmung in jener Zeit. Die Welt drehte sich wie in Zeitlupe um ihn herum weiter. Er wusste, dass er gerade jetzt für Paul da sein musste, doch in den ersten Wochen danach, war er dazu nicht in der Lage gewesen. Sein Vater Karl hatte diesen Part so gut es ging übernommen. Auf der Suche nach Linderung hatte er mit dem Alkohol angefangen. Er wusste, dass es falsch war. Das Trinken bot nur für eine kurze Zeit Erleichterung und danach war es immer noch viel schlimmer. Aber er brauchte diese Auszeiten. In dieser Zeit erkannte er, dass er schwach war.
    Ein Jahr später war er an einem neuen Tiefpunkt angekommen. Er hatte auf dem Spielplatz, zu dem er mit Paul gegangen war, getrunken. Zur Tarnung hatte er eine Wodkaflasche in eine braune Saftflasche umgefüllt. Nachdem er sie ganz ausgetrunken hatte, war er auf der Bank eingeschlafen. Als er mitten in der Nacht erwachte, war Paul verschwunden. Er dachte an Entführung und all die Missbrauchsfälle an Kindern, die durch die Medien geisterten. Er war voll Panik nach Hause getorkelt. Sein Vater hatte die Polizei angerufen. Dort teilte man ihnen mit, dass ein Junge unweit des Spielplatzes allein aufgefunden wurde. Eine Familie habe das Kind zur Polizei und diese habe den Jungen dann für die Nacht in eine Einrichtung des Jugendamtes für obdachlose und gefährdete Jugendliche gebracht. Sie waren dorthin gefahren. Der Junge war Paul gewesen. Martin hatte in dieser Nacht auch zu Gott gebetet, dass Paul nichts geschehen war und er hatte Gott als Gegenleistung versprochen, mit dem Trinken aufzuhören und ein guter Vater zu sein. Er hatte das Versprechen eingelöst. Doch in diesem Moment hätte er nichts lieber gehabt, als eine Flasche Wodka.
    »Martin, Martin!« Selma rüttelte an ihm. Ihre Stimme klang, als ob sie sehr weit entfernt wäre. Dennoch riss sie ihn aus den Bildern der Vergangenheit.
    Leer und ausgelaugt sah er sie nun an. Er konnte nichts sagen.
    »Warum glaubt dieser Eddie, dass Sie seine Frau getötet haben? Ist da was dran?« Das war Bumanns Stimme. Er stand noch immer mit dem Rücken an der Wand, ganz so, als ob alle Sicherheit, die dieser isolierte Raum geboten hatte, auf einen Schlag nun nicht mehr existierte.
    Martin wusste selbst nicht, was er davon halten sollte. Offensichtlich hielt Eddie ihn für den Mörder seiner Frau und Bumann zog ernsthaft in Erwägung, dass etwas daran sein könnte. Aber er durfte das dem Mann von der Hotelrezeption nicht übel nehmen. Eugen Bumann kannte ihn erst wenige Stunden. Sie hatten kaum ein Wort miteinander gewechselt. Wie sollte der Mann ihn da richtig einschätzen können?
    »Nein, ich habe nichts damit zu tun«, sagte Martin und versuchte damit, die Panik in Bumanns Augen zu vertreiben.
    Es gelang ihm nicht. Bumann blieb weiter auf Distanz.
    »Du bist ein Idiot, Eugen«, sagte Selma Bumann zugewandt. Dann zu Martin. »Was machen wir denn jetzt?«
    In ihrer zitternden Stimme lag ebenfalls Angst. Auch, wenn sie alles unternahm, um stark zu klingen.
    »Und du setz dich wieder hin!«, blaffte sie Bumann missbilligend an. Zögerlich kam der ihrer Aufforderung nach.
    Martin zuckte resignierend mit den Schultern. Was blieb denn jetzt noch übrig? Er musste sich dem Irren stellen und versuchen, ihn davon zu überzeugen, dass er nichts mit dem Tod von dessen Frau zu tun hatte. Ein aussichtsloses Unterfangen. Er fühlte sich schon bei dem Gedanken daran, mehr tot, als lebendig. Seine Kopfschmerzen waren jetzt zudem völlig aus dem Ruder gelaufen. Ein dünner Schweißfilm lag auf seinem Gesicht. Er fühlte sich fiebrig und um seinen Hals, schien sich eine Schlinge zu legen, die ihm nach und nach die Luft abschnürte. Wieder wanderten die graugetünchten Betonwände des Raumes bedrohlich auf ihn zu. Doch diesmal gelang es ihm, sie auf Abstand zu halten. Es wird tatsächlich besser mit dieser bescheuerten Platzangst, dachte er. Ich bekomme sie in den Griff. Dann wurde ihm klar warum. Es gab keinen Grund mehr für sein Gehirn, ihm in einem geschlossen Raum vorzugaukeln, dass er darin ersticken könnte oder nie wieder heraus käme. Denn er hatte sich soeben mit der Tatsache abgefunden, dass er

Weitere Kostenlose Bücher