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Monströs (German Edition)

Monströs (German Edition)

Titel: Monströs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Karlden
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erhob sich von dem bequemen Drehstuhl an der Rezeption und betrachte die Waffe, die er von dem Mann im Büro des Direktors, dem Mann, der ihn gekannt hatte, erbeutet hatte. Eine Remington, immerhin mit .357 Magnum Munition. Nicht so stark wie seine Ruger, aber um einen Menschen mit einem gezielten Schuss zu töten, reichte sie allemal aus. Dann setzte er sich in Bewegung und schritt die Treppen zur ersten Etage empor.
     

47
     
    Martin hörte Eddies Schritte ganz deutlich. Der Kerl machte sich noch nicht einmal die Mühe, besonders leise zu sein. Martin zog die Tür nicht wieder zu, als er sich in den Flur der zweiten Etage zurückzog. Panisch blickte er sich um. Was sollte er jetzt tun? Zurück in den Panikraum rennen? Wenn Kaltenbach nach oben kam und beschloss, in der zweiten Etage oder in einer der Wohnungen in der dritten Etage sein Lager aufzuschlagen, war es mit dem Plan, die Draisine zu benutzen, und vor Eddie das Tal zu erreichen vorbei.
    Die Gedanken schossen in Sekundenbruchteilen durch seinen Kopf. Er musste sich jetzt schnell entscheiden, und wenn er ehrlich war, gab es nur eine Möglichkeit. Er musste aus dem Fenster in dieser Etage klettern.
    Er machte ein paar schnelle Schritte in Richtung des Fensters. Dort angekommen hielt er kurz inne. Sein Atem ging flach und schnell. Er geriet in Panik bei dem Gedanken, bald bis über beide Knöchel im Neuschnee zu versinken. In Sekundenbruchteilen sah er wieder die Bilder vor seinem geistigen Auge ablaufen, die laut Dr. Hörschler der eindeutige Grund seiner Schneephobie waren.
    Schuld waren vier ältere Jungs aus der verfeindeten Bande des benachbarten Häuserblocks. Er sah ihre Gesichter noch genau vor sich. Tim, Tobi, Andi und Sven. Er war damals vielleicht sieben oder acht gewesen und sie hatten ihm beim Schlittenfahren unten an der Piste aufgelauert. Zuvor hatten sie eine Grube in den hohen feuchten Schnee gegraben. Sie hatten ihn hineingeworfen und mit den ausgehobenen Schneemassen zugeschaufelt, bis er sich nicht mehr bewegen konnte. Sie hatten dabei gejohlt und nicht mehr aufgehört, bis sie einen riesigen Berg über ihm angehäuft hatten. Es war ihm lediglich gelungen, eine Hand vor den Mund zu bekommen, und eine Mulde zum Atmen freizukratzen. Dann war Schluss gewesen. Eine Stunde hatte er in Todesangst so verbracht. Seinem Gefühl nach war es viel länger gewesen. Sein Körper war nach und nach ausgekühlt. Er hatte geglaubt, sterben zu müssen. Er erinnerte sich noch daran, dass er damit ganz ruhig umgegangen war. Nicht anders, als ob ein unvorhergesehenes Ereignis, den Tagesablauf gestört hätte. Hätte er sich übergeben müssen, wäre er an seinem eigenen Erbrochenen erstickt. Irgendwann hatte einer der Jungs ein schlechtes Gewissen bekommen und seinen Eltern beim Abendessen davon erzählt. Sie hatten ihn ausgegraben und er hatte es überlebt. Aber bis heute trug er davon eine mentale Narbe mit sich herum. Er war nie wieder Schlitten gefahren. Ihm wurde übel, wenn es anfing, zu schneien und er hielt es in engen geschlossenen Räumen kaum aus.
    Er wischte die Gedanken weg. Hinter ihm lauerte der Tod, das war schlimmer. Er drehte den Fenstergriff und öffnete es. Mit zittrigen Händen stützte er sich auf der Fensterbank ab und blickte hinab. Von hier aus waren es gut und gern acht Meter bis nach unten. Der Draht mit dem Blitzableiter verlief direkt neben dem Fenster. Draußen herrschte das blanke Chaos. Sturmböen peitschten den frisch gefallenen Schnee auf und wirbelten ihn durch die Luft. Es fiel ihm schwer, in dem Schneegestöber überhaupt die hundert Meter tiefer gelegene Bahnstation, geschweige denn den kleinen Schuppen, den Selma ihm beschrieben hatte, zu erkennen. Er fühlte sich plötzlich wie ein Passagier, der während eines Orkans vom Deck des sinkenden Schiffes in das tosende Meer springen musste. Dann dachte er an Kaltenbach, der jeden Moment auf seiner Etage sein konnte. Er hatte sich mit dem Schlimmsten abgefunden und dadurch seine Platzangst im Zaum gehalten. Er beschloss, dass er auch mit dem Schneemeer da draußen fertig werden konnte. Plötzlich schreckte er zusammen und hielt den Atem an. Etwas hatte das Rauschen der Sturmwinde übertönt. Von hier aus hatte er freie Sicht auf die Tür zum Treppenhaus und er war sicher, wenn er sich nun umdrehte, Eddie Kaltenbach zu sehen, der ihn zu erwischen versuchte, bevor er aus dem Fenster klettern konnte. Aber dem war nicht so. Der Flur blieb leer. Schon im nächsten Moment konnte er

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