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Monströse Welten 1: Gras

Monströse Welten 1: Gras

Titel: Monströse Welten 1: Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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gesehen hatte. Damit hatte das siegreiche Hippae das unterlegene beworfen. Sie trat über die staubigen Körper und inspizierte die Kaverne, wobei ihr die Ähnlichkeit zur Höhle bei Opal Hill auffiel. Beide hatten die gleichen Steinsäulen, die gleichen großen Öffnungen, die gleiche Quelle an einer Seite.
    Und doch gab es einen deutlichen Unterschied. Diese Kaverne wies ein Muster auf, das die Hippae mit den Hufen in den Erdboden gestanzt hatten; es war so komplex wie die Zeichnungen, die sie als Kind an prähistorischen keltischen Monumenten gesehen hatte. Aufgrund eines unerklärlichen Impulses holte Marjorie das Aufzeichnungsgerät hervor, schritt das Muster von einem Ende zum anderen ab und erfaßte jedes Detail. Die komplette Darstellung wurde auf dem Monitor des Geräts abgebildet. Es hatte keinen Sinn, Rigo nach der Bedeutung des Musters zu fragen. Vielleicht würde sie sich aber bei Bruder Mainoa erkundigen, wenn sie ihn das nächstemal wieder sah. Nachdem sie alles inspiziert und aufgezeichnet hatte, ritt sie nach Opal Hill zurück, ohne daß unterwegs besondere Vorkommnisse zu verzeichnen gewesen wären. Dabei glaubte sie, eine virustypische Zufriedenheit zu verspüren.
    Der Tag von Rigos Jagdpremiere rückte näher, und Marjorie bereitete sich seelisch-moralisch auf die Beobachtung der Jagd vor. Sie trug die Landestracht, ein fließendes, gestuftes Gewand aus Seide; der Überzieher war aus Brokat und reichte bis zu den Ellbogen und Knien, so daß er die extravagant mit Rüschen besetzten Säume und Bündchen der Unterkleider zeigte. Das Gewand ähnelte den Kleidern, die sie an schwangeren Frauen und Matronen gesehen hatte, die nicht mehr ausritten. Das seidige Haar trug sie offen anstatt es wie üblich hochzustecken. Sie trug außergewöhnlich viel Make-up auf, vor allem um die Augen. Sie fragte sich erst gar nicht, weshalb sie das tat; als sie dann durch die Halle zum Kiesbett ging, wo Rigo wartete, sah sie aus wie eine Frau, die ein Rendezvous mit ihrem Liebhaber hatte – oder die sich mit anderen Frauen traf, die sich vielleicht fragten, ob ihr Mann sie noch begehrte. Als Rigo sie sah, schauderte er. Das war nicht mehr Marjorie. Sie war eine Fremde. Er biß sich auf die Lippe und trat von einem Bein aufs andere; er befand sich in einem Zwiespalt: Einerseits spürte er das Bedürfnis, sie zu berühren, andererseits war er entschlossen, sie zu ignorieren.
    Schließlich brachte Persun den Gleiter. Atemlos lief Tony aus dem Haus und richtete seine Kleidung. Dann erschien Stella in einem Kleid, das dem ihrer Mutter glich, nur daß es nicht so komplex gestuft war. Sie hatte gesehen, was ihre Mutter anziehen würde und sie imitiert. Die einzelnen Lagen waren locker und leicht zu entfernen. Das war günstig, denn ihr würde nicht viel Zeit zum Umziehen bleiben.
    Es wurde nicht viel gesprochen. Marjorie setzte sich neben Persun, und die beiden pflegten zur Übung eine gestelzte Konversation auf Grassan. »Wo befindet sich der Jägermeister?« – »Der Jägermeister reitet den Pfad entlang.« – »Haben die Jäger einen Fuchs erlegt?« - »Ja, die Jäger haben heute einen Fuchs erlegt.«
    »Das klingt wie das Schlucken von Schildkröten«, bemerkte Stella naserümpfend. »Wie kann man nur eine so häßliche Sprache erfinden?«
    Marjorie antwortete nicht. Im Geiste befand sie sich so weit entfernt, daß sie sie nicht einmal hörte. Sie war in Nebel gehüllt, die nur durch Willenskraft zu durchdringen waren. Sie hatte sich von ihnen distanziert. »Was reicht die Obermum heute zum Mittagessen?« fragte sie mit einer Schulmädchenstimme.
    »Die Obermum serviert gebratene Gans«, kam die Antwort.
    Eine Gans, sagte Persun sich und schaute in die Runde. O ja, heute gibt es Gans.
    Auf Klive betätigten Amethyste und Emeraude sich als Hostessen; sie verzogen keine Miene und sprachen kein Wort. Ihre Kleidung ähnelte der von Marjorie. »Die Obermum bedauert, daß sie Sie nicht persönlich begrüßen kann. Wir sollen Ihnen Grüße von ihr bestellen. Wollen Sie uns bitte in die Halle folgen?«
    Irgendwie fügte es sich, daß Marjorie und Tony eine Richtung einschlugen und Rigo und Stella eine andere. Zunächst vermißte Marjorie Stella nicht. Sie trank ein heißes, würziges Getränk und lächelte den bons freundlich zu, wobei alle sich so verteilten, daß sie die Erste Fläche überblickten. Dort fanden sich die Reiter ein, mit den ausdruckslosen Gesichtern und dem leerem Blick, den Marjorie bei den Reitern bereits

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