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Monströse Welten 1: Gras

Monströse Welten 1: Gras

Titel: Monströse Welten 1: Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Renovierung unterzogen. Die nördlichste Spalte diente als Durchgang für die Arbeitstiere, deren maulwurfartige Körper zum Buddeln wie geschaffen waren und die nun durch das rotbraune Gras ins kürzere, violett kolorierte Gras schlurften, wobei ihre pelzigen Beintaschen voller Erdreich waren, das sie zuvor vom Boden der Hippae-Halle gekratzt hatten.
    Die leere, in trübem Licht liegende Halle wurde von Säulen aus Gesteinsbrocken abgestützt, die beim Ausschachten der Kaverne gesammelt worden waren; als ›Mörtel‹ diente ein Gemisch aus Kot und Erde. Phantastische Wesen, diese Migerer – Maurer, Mineure, fast schon Baumeister, auf jeden Fall ›Grubeningenieure‹ von hohen Graden, die ähnliche, jedoch kleinere Kavernen auch für sich selbst angelegt hatten, wobei die Höhlen über ein kilometerlanges Tunnelsystem miteinander verbunden waren.
    In dieser großen Halle blinzelten die Wesen mit ihren indigofarbenen Pelzen und ihren Schielaugen und verständigten sich mit zirpenden Flötentönen, während sie durch die Kaverne huschten, mit den stumpfen Klauen Bodenunebenheiten ausglichen und das lockere Erdreich mit den harten Zehenballen der Hinterläufe feststampften.
    Ein Hippae betrat die Kaverne, schritt auf großen, dreiteiligen Hufen über den planierten Boden, markierte ›Stellplätze‹ in der Höhle und nickte beifällig mit dem monströsen Kopf, wobei das Tier mit einem leisen Knurren die Zähne bleckte; die rasiermesserscharfen Halsknochen schlugen mit einem häßlichen Geräusch aneinander, als die Bestie den Kopf zurückwarf und die Decke anbellte.
    Die ›Maulwürfe‹ taten so, als ob sie nichts gehört hätten; vielleicht hatten sie wirklich nichts gehört. Ihr Verhalten war unverändert. Sie wuselten noch immer um die Hufe des tänzelnden Monsters, kratzten, packten, füllten die pelzigen Taschen und stoben dann hinaus ins Gras, um das Ergebnis ihres Fleißes dort zu deponieren. Erst als sie fertig waren, als der Boden so glatt war, wie das aufgrund ihrer instinktiven Begabung nur möglich war, kamen sie zur Ruhe und legten sich hin, wobei sie ihre runden Bäuche und die kräftigen Füßchen putzten, mit den gekrümmten Klauen die Barthaare kämmten und ins durch die Öffnungen fallende Zwielicht blinzelten. Plötzlich ertönte ein Pfiff, ein leises, vom Wind herangetragenes Geräusch, als ob ein Vogel einen Klagelaut ausgestoßen hätte, und weg waren sie, verschwunden im Gras, als ob sie nie existiert hätten. In der Kaverne setzte das Hippae derweil gemächlich die Parade fort und bellte ab und zu, um sich am Echo zu erfreuen; majestätisch begutachtete und würdigte es die Arbeit, die vollbracht worden war.
    Ein zweites Ungeheuer erwiderte das Bellen und betrat die Kaverne, um selbst eine Inspektion durchzuführen. Dann kamen ein drittes und ein viertes, und schließlich eine ganze Herde, die in komplexen Schrittfolgen in der Höhle herumtänzelte und sich in allen möglichen Aufstellungen formierte, parallel und überkreuz, wobei aus Zweier-, Vierer- und Sechserreihen Zwölfer- und Achtzehnerreihen wurden. Die Hufe wurden so präzise in die Spuren gesetzt wie der Meißel eines Bildhauers.
    Nicht weit entfernt, im Dorf von Opal Hill, wälzte Dulia Mechanic sich unruhig im Bett, vom unterirdischen Donner aus dem Schlaf gerissen. »Was… was ist das?« murmelte sie schlaftrunken.
    »Die Hippae tanzen«, antwortete ihr junger Ehemann Sebastian Mechanic; er war hellwach, denn er hatte dem rhythmischen Stampfen schon seit über einer Stunde gelauscht, während sie neben ihm geschlummert hatte. »Tanzen«, bekräftigte er, wobei er sich nicht einmal sicher war, ob er es selbst glaubte. Außerdem ging ihm noch etwas anderes im Kopf herum.
    »Woher willst du das denn wissen? Das sagt zwar jeder, aber woher weißt du das?« quengelte sie im Halbschlaf.
    »Jemand muß sie wohl dabei beobachtet haben«, sagte er und fragte sich nun zum erstenmal, wie dieser Jemand überhaupt gesehen hatte, was er angeblich gesehen hatte. Sebastian würde sich lieber erschießen lassen, als durch das hohe Gras zu robben und den Hippae nachzuspionieren. »Irgend jemand, vor langer Zeit«, murmelte er, ohne die Quelle preiszugeben und beschäftigte sich wieder in Gedanken damit, womit er sich schon lange befaßte: mit denen auf Opal Hill.
    Draußen in der Nacht, in der Kaverne, die vor Donnerhall erbebte, wirbelte die Quadrille ihrem Höhepunkt zu.
    Plötzlich, ohne eine wahrnehmbare Klimax, war es vorbei. Die Hippae

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