Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monströse Welten 1: Gras

Monströse Welten 1: Gras

Titel: Monströse Welten 1: Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
Vom Netzwerk:
brüskierten beide die bons mit einer undiplomatischen Äußerung und gefährdeten dadurch die Zukunft der Menschheit. Angenommen… Angenommen, es war überhaupt etwas dran an den Gerüchten. Angenommen, Gras war wirklich immun gegen die Pest.
    Reglos saß sie da und wartete auf den Morgen, wobei sie sich durch das Aufsagen von Gebeten beruhigte.
    Als die Sonne über dem Grasland aufging, lief Marjorie hinunter zur Kaverne, die als Pferdestall diente. Sie mußte sie spüren, riechen, sich ihrer Realität versichern, ihrer bedingungslosen Loyalität und Zuneigung. Sie stießen sie nicht zurück, und eine kleine Aufmerksamkeit belohnten sie gleich tausendfach. Sie schritt die Boxen ab, tätschelte und streichelte die Pferde und verteilte Gebäck, das sie für sie aufgehoben hatte. Schließlich erreichte sie die Box von Don Quixote und schaute hinein; unablässig stampfte er auf den Boden, eine nervöse, flehende Geste. Sie legte die Arme um ihn.
    »Mein Quixote«, sagte sie. »Gutes Pferd. Wunderbares Pferd.« Sie legte das Gesicht an sein ebenholzfarbenes Maul und spürte den warmen Atem im Ohr; sie vergaß die trotzige Stella und den untreuen Rigo, die Hippae und die Hunde und die Ungeheuer, die sie verfolgten: das eine, das hier Fuchs genannt wurde, und das andere, das woanders Pest genannt wurde. »Komm, wir gehen auf die Weide.«
    Sie machte sich nicht die Mühe, ihn zu satteln. An diesem Morgen gab es kein Training. An diesem Morgen gab es nur sie und Quixote, mit dem sie eine größere Zuneigung verband als mit sonst jemandem. Es sollte nichts zwischen ihr und seinem Fell sein. Sie wollte ihm mit jeder Faser ihres Körpers Zuversicht spenden und seine Kraft in sich aufnehmen.
    Sie legte sich auf seinen Hals, als sie die Kaverne verließen und den gewundenen Pfad zur Arena einschlugen. Der Pfad schlängelte sich einen Abhang hinunter und stieg dann wieder an.
    Als sie sich der Anhöhe näherten, zitterte das Pferd. Es schüttelte sich stumm und enthielt sich sogar eines protestierenden Wieherns, als ob es tief in seinem menschenfreundlichen Herzen wußte, daß sein Überleben davon abhing, keinen Laut von sich zu geben. Das Tier stieß nur die Luft aus, als ob das Leben aus ihm entweichen würde. Marjorie spürte das, wie sie selbst die leiseste Regung noch spürte. Mit einer fließenden Bewegung saß sie ab. Sie mußte nicht die Anhöhe erklimmen, um zu wissen, was sie dort sehen würde. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie zitterte, als ob sie halb erfroren wäre. Und doch mußte sie es sehen. Sie mußte Gewißheit haben.
    Sie berührte den Hengst an der Schulter. Er war darauf trainiert worden, sich hinzulegen, und nun tat er es, fast freudig, als ob er sich kaum noch auf den Beinen halten könnte. Sie streichelte ihn, um ihn zu beruhigen – oder sich selbst –, und dann robbte sie mit zitternden Gliedern durch das Gras neben dem Pfad, so daß sie etwas sehen konnte, ohne selbst gesehen zu werden.
    Und da waren sie. Drei Exemplare. Wie damals, als sie, Tony und Rigo auf drei Pferden hierher geritten waren. Drei Hippae führten Übungen durch, Trab, Trott, Handgalopp und durchmaßen im Wechselschritt in langen Diagonalen die Arena. Sie machten alles, was sie mit Octavo gemacht hatte, mit einer verblüffenden Leichtigkeit. Am Schluß der Übung formierten die Tiere sich nebeneinander, wobei die Hinterteile auf sie wiesen, und die spitzen Halsknochen zeigten wie eine glitzernde Barrikade auf sie, so bedrohlich wie gezückte Klingen. Dann drehten sie sich um und schauten zu ihrem Versteck hoch, wobei ihre Augen rot im Licht der aufgehenden Sonne glühten. Sie gaben keinen Laut von sich.
    Belustigung, war ihr erster Gedanke. Wie Mimen. Diese Hippae hatten die Menschen und deren Pferde gesehen und amüsierten sich nun darüber, was diese kleinen, fremden Biester mit ihren menschlichen Reitern angestellt hatten. Sie hielt den Gedanken einen Augenblick fest, und dann entglitt er ihr wieder, trotz aller Anstrengungen. Sie wußten, daß sie da war. Sie wußten, daß sie beobachtet wurden. Vielleicht hatten sie diese kleine Darbietung extra für sie arrangiert…
    Es war keine Belustigung. Nichts in diesen rot glühenden Augen deutete auf Belustigung hin.
    Sie war auch nicht daran interessiert, die wahre Befindlichkeit der Hippae zu ermitteln. Sie zog sich von der Anhöhe zurück und rannte schier um ihr Leben, bis zu der Stelle, wo der Hengst wie niedergestreckt dalag. Sie zwang ihn auf die zitternden Beine, und

Weitere Kostenlose Bücher