Monströse Welten 1: Gras
würden. Solche Fragen.« Erneut schluchzte er und erinnerte sich an den Schrecken, die Verwirrung und die Unfähigkeit, seine Handlungen zu kontrollieren.
»Aha.« Bruder Mainoa fummelte an den Kontrollen herum und hieb grunzend auf diverse Knöpfe, die sich dieser Behandlung jedoch widersetzten. »Schrott«, murmelte er. »Verdammte, beschissene Mechanik.« Schließlich reagierten die Kontrollen doch auf diese rüde Behandlung, und der Flug des Gleiters stabilisierte sich. »Suppe«, sagte er mit ruhiger und tröstender Stimme und lächelte Rillibee an. »Du hast dich also nach der Pest erkundigt, nicht wahr?«
Rillibee antwortete nicht.
»Wir müssen uns einen Namen für dich ausdenken«, sagte der ältere Mann nach einer Weile.
»Ich habe schon einen Namen.« Selbst in dieser schweren Depression sträubte er sich gegen die Vorstellung, einen anderen Namen annehmen zu müssen.
»Keinen Ordensnamen, keine Sorge. Ordensnamen werden von bestimmten Eigenschaften abgeleitet.« Bruder Mainoa schlug mit der flachen Hand auf den Kocher und schaute ihn grimmig an. »Zwölf Konsonanten und fünf Vokale, jeder mit einem heiligen Attribut.«
»Was soll der Quatsch«, nuschelte Rillibee und leckte sich die Tränen aus dem Mundwinkel. »Du weißt doch, daß das Unsinn ist. Genau das ist nämlich der Punkt – deshalb habe ich im Refektorium auch die Fragen gestellt. Was soll dieser Schwachsinn?«
»Hast es nicht mehr ausgehalten?«
Rillibee nickte.
»Ich auch nicht«, sagte Bruder Mainoa. »Nur daß ich keine Fragen gestellt habe. Ich habe versucht, wegzulaufen. Du warst sicher auch ein verpflichteter Ministrant, stimmt’s? Wie lange ging deine Dienstzeit?«
»Eigentlich wurde ich gar nicht verpflichtet. Sie haben mich einfach eingezogen, als… nun, als ich nicht mehr wußte, wohin ich gehen sollte. Sie sagten, nach zwölf Jahren käme ich wieder frei.«
»Ich wurde für fünf Jahre verpflichtet, aber ich hielt es nicht aus. Ich schaffte es einfach nicht. Meine Leute hatten mich verpflichtet, als ich fünfzehn wurde. Und mit siebzehn kam ich hierher nach Gras und grub Arbai-Knochen aus. Seitdem bin ich hier. Büßer auf Lebenszeit. Na schön. Wenn ich vielleicht etwas älter gewesen wäre…« Er nahm die dampfende Tasse vom Kocher. »Hier, trink das. Es wird dir guttun. Der Ältere Bruder Laeroa hat es mir vor einigen Jahren auch verabreicht, als er mich vom Hafen abgeholt hat; allerdings war er damals noch der Jüngere Bruder Laeroa, und seitdem habe ich schon einem Dutzend Leuten diesen Trank zubereitet. Er hat anscheinend immer geholfen. Du wirst für eine lange Zeit ständig Hunger haben, aber irgendwann läßt es dann nach. Weiß nicht, woran das liegt. Gehört eben zum Leben auf Gras. Erzähl mir ruhig auch etwas von dir. Je besser ich dich kenne, desto eher kann ich dir helfen.«
Rillibee nippte an der Suppe. Er wußte nicht, was er sagen sollte. »Willst du meine Lebensgeschichte hören?«
Mainoa dachte für eine Weile darüber nach, wobei sein Gesicht abwechselnd einen Ausdruck der Zustimmung und Ablehnung annahm, bis er sich schließlich entschied. »Ja, ich möchte sie hören. Von einigen Leuten würde ich sie nämlich nicht hören wollen, mußt du wissen. Aber bei dir ist es etwas anderes.«
»Wieso?«
»Ach, dafür gibt es verschiedene Gründe. Deine Augen. Dein Name. Das ist nämlich ein ungewöhnlicher Name für einen Angehörigen der Geheiligten.«
»Ich bin nie einer von ihnen gewesen. Ich habe doch schon gesagt, daß sie mich gezwungen hatten.«
»Erzähl mir mehr, Junge. Sag mir einfach alles.«
Rillibee seufzte und fragte sich, was er überhaupt erzählen sollte; er versuchte, sich zu erinnern, und eine Flut von Erinnerungen spülte ihn fort.
Das Haus in Red Canyon hatte dicke Adobe-Mauern gehabt, Lehmwände, die nachts die Wärme speicherten und am Tag die Hitze abwiesen. Die Mauern wurden von Schnee und Regen erodiert, so daß Miriam, Joshua, Song und Rillibee jeden Sommer fast eine Woche damit verbrachten, die schadhaften Stellen auszubessern, zu glätten und trocknen zu lassen. Die Fußböden des Hauses waren gefliest, wobei die Böden der einzelnen Räume in verschiedenen Farben gehalten waren, grün, blau und mosaikartig. Song hatte ihm beigebracht, wie man auf den Fliesen seines Zimmers hopscotch spielte, und vor dem Kamin befand sich eine schachbrettartige Fläche aus dunklen und hellen Fliesen, mit einer Kantenlänge von jeweils zwei Zoll, auf denen Joshua und Miriam Dame
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