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Monströse Welten 1: Gras

Monströse Welten 1: Gras

Titel: Monströse Welten 1: Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Gräben, die den Grundriß für die neuen Hallen markierten, die im Verlauf des Gras- Jahres erbaut werden würden. Trotz der Sterberate nahm die Anzahl der Brüder stetig zu. Anscheinend wurde die Belastung für die Ministranten von Heiligkeit immer unerträglicher.
    Nachdem die großen Gräser abgesägt und zu Bündeln verpackt worden waren, wurden sie zur Abtei geschleppt und senkrecht in die Gräben gestellt. Dann wurden die Bündel jeweils zum Nachbargraben hin gebogen und miteinander verbunden, so daß der dazwischenliegende Bereich schließlich von einer kuppelartigen Halle überwölbt wurde. Sie wurde von einem Reetdach gekrönt, und die Öffnungen wurden mit Vorhängen aus geflochtenem Gras verhängt. Diese weitläufigen Hallen wurden dann von den Brüdern je nach Bedarf eingerichtet: als Kapelle, Küche oder Zellen.
    Dieser Bauweise, so sagten die Historiker des Ordens, hatten sich schon Menschen befleißigt, die vor langer Zeit auf einer anderen Graswelt gelebt hatten. Allerdings sagten die Historiker nicht, wie jene Menschen den Winter überstanden hatten. Im Winter zogen die Brüder sich in ein unterirdisches Kloster zurück, wo sie eng zusammenrücken mußten und sich bald gehörig auf die Nerven gingen. In jedem Winter verloren mehr als nur ein paar von ihnen den Verstand. Die Brüder standen permanent an der Schwelle zum Nervenzusammenbruch, wobei die jüngeren gefährdeter waren als die älteren. Die Alten hatten ohnehin längst jede Hoffnung begraben, doch die Jungen hegten durchaus noch Hoffnungen und kämpften ständig gegen die Frustration an, woraus seltsame und gefährliche Verhaltensweisen resultierten.
    Im Sommer hatten die Brüder dann Gelegenheit, sich ein Ventil für diese Frustrationen zu schaffen. Die schmalen Hallen waren kreuz und quer über das kurze Gras verteilt, wobei manche in der Art eines Kreuzgangs einen Garten umschlossen und andere Türen hatten, die Zugang zu einem großen Gemüsegarten boten. Wieder andere hatten einen regelrechten Bauernhof, wo Hühner scharrten und Schweine zufrieden im Stall grunzten. Wären da nicht die Türme gewesen, hätte die Abtei einem großen Maulwurfshügel geglichen, der die Farbgebung des umliegenden Geländes angenommen hatte.
    Aber es gab Türme – überall. Vor lauter Langeweile errichteten die jungen Brüder diese Gras-Gebilde nun schon seit mehreren Jahrzehnten. Anfangs waren es nur spitze Masten gewesen, vielleicht dreißig Meter hoch, die von flockigen Samenköpfen der Kreuzblume gekrönt wurden. Später waren dann kompliziertere Gebilde auf drei oder fünf Stelzen in den wolkigen Himmel gewachsen, bis sie schließlich eine solche Höhe erreichten, daß die Leute auf der Erde es nicht mehr für möglich hielten – und es kamen immer mehr Türme hinzu.
    Die weitläufigen Höfe wurden von filigranen Nadeln überragt, deren Spitzen mit starken Tauen aus Drahtgras gesichert waren. Überall, wo die reetgedeckten Hallen aneinanderstießen, stachen spinnenartige Türme durch die Wolken. Filigrane Masten überragten die Küchen und Gärten. Außerhalb des Geländes der Abtei ragten stachelige Wälder wie Myriaden gotischer Türme in den Himmel von Gras. Es gab keinen Ort innerhalb oder außerhalb der Abtei, an dem man ihrer nicht ansichtig geworden wäre, der gleichermaßen phantastisch hohen und lächerlich fragilen Türme der Himmelsstürmer.
    An diesen Strukturen waren junge Brüder, die auf diese Entfernung wie Spinnen wirkten, hinauf in die Wolken geturnt und hatten alle Türme mit Seilbrücken verbunden, die scheinbar gerade fingerbreit und kaum belastbarer waren als ein Haar. Über Strickleitern, so zart wie Webseide, erklommen sie die hohen Plattformen und hielten Ausschau. Anfangs nach Hunden und Grazers. Dann hatten sie nach güldenen Engeln Ausschau gehalten, wie jene auf den Türmen von Heiligkeit, so sagten manche, desillusioniert durch das ereignislose Warten. In der letzten Zeit hatten sie einen Sport daraus gemacht, Phantasiegebilde zu erfinden, und der Ältere Bruder Laeroa beugte die Doktrin, um sie nicht gegen sie anwenden zu müssen. Jhamless Zoe hätte mit Vergnügen disziplinarische Maßnahmen verfügt oder gar ein Verfahren wegen Häresie eingeleitet.
    Die Mitarbeiter des Büros für Akzeptable Doktrin litten nämlich genauso an Langeweile wie alle anderen auch.
    Im Laufe der Jahrzehnte waren die Türme zunächst von Amateuren erklettert worden und schließlich von Profis, die einen eigenen Kult mit Hierarchen und

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