Monströse Welten 2: Hobbs Land
interessierte es ihn gar nicht, was ich sagte. Dann kamen wir nach Hobbs Land. Und nach einiger Zeit wurde die Wand dünner. Nicht daß ich in der Lage gewesen wäre, seine Gedanken zu lesen. Ich werde noch immer nicht schlau aus Sam… weshalb er all diese Bücher liest. Er geht ins Archiv und liest all diese alten Legenden. Nein, seine Gedanken konnte ich nicht lesen, aber immerhin begriff ich allmählich, daß er von einem Mysterium umgeben war. Und wenn wir auf Hobbs Land geblieben wären, würde ich ihn nun vielleicht ganz verstehen!«
»Wie Diejenige Welche schon sagte«, murmelte der Gharm. »Ein Entgegenkommen. Eine Gefälligkeit.«
Maire wischte sich die Tränen aus den Augen. Plötzlich hörte sie das Knacken von Zweigen. Der Gharm duckte und versteifte sich.
»Eine Gefälligkeit, sagst du?« ertönte eine freudige Stimme aus dem Wald. »Haben wir dich endlich gefunden, Maire Manone!«
Sie erschienen zwischen den Bäumen. Mugal Pye und ein halbes Dutzend Männer, die allesamt die Kappen der Gläubigen trugen. Der Gharm versuchte zu entkommen, doch sie holten ihn ein und töteten ihn vor ihren Augen, wie man einem Huhn den Hals durchtrennt. Dann wandten sie sich ihr zu.
»Phaed hatte uns schon vor langer Zeit von diesem Ort erzählt, Liebliche Sängerin. Das hat er sicher schon vergessen. Nachdem wir dich an der Küste nicht gefunden hatten, versuchten wir es hier. Da hast du leider Pech gehabt. Du hast uns aber ordentlich auf Trab gehalten.«
Maire erhob sich. Also hatten die Legenden sie wieder eingeholt.
»Wohin bringt ihr mich?« fragte sie, wobei sie die Antwort jedoch schon wußte.
»Zum Propheten Awateh«, sagte Mugal Pye mit einem verschlagenen Grinsen. »Aber der alte Phaed muß nicht unbedingt erfahren, wohin die Reise geht.«
* * *
Tagsüber war Sam an einem Pfosten in einem Erkerzimmer angekettet. Die Kette war jedoch lang genug, daß er zur Toilette gehen, beziehungsweise aus dem Fenster sehen konnte.
Nachts hockte er auf der Matratze, während Phaed ihn in der Doktrin unterwies und jede falsche Antwort mit einem Schlag mit dem Peitschenstiel quittierte. Bald war die Konditionierung perfekt. So wurden auch Tiere dressiert, sagte Sam sich und fragte sich, wie ein Hoch-Baidee sich wohl in einer solchen Situation verhalten würde. Vielleicht würde er versuchen, Selbstmord zu begehen. Unter normalen Umständen hätte Sam auch genau das versucht. Allerdings breitete sich, vom Hügel oberhalb von Sarby ausgehend, ein Gewächs talwärts aus, und darauf setzte Sam all seine Hoffnungen. Einen Teil seiner Kraft bezog er aus der Gewißheit, daß die Dinge sich bald ändern würden; im übrigen war er schlicht neugierig. Er wollte sehen, wie der Gott von Hobbs Land sich in Sarbytown bewährte.
»Wer ist der Gott von Voorstod?« fragte Phaed.
»Der Eine, der Einzige, der Allmächtige Gott, in dessen Licht alle anderen Götter als Götzen der Menschen entlarvt werden.«
»Was ist das Bestreben des Einen Gottes?«
»Daß alle Lebewesen Ihn verehren.«
»Und wie soll das erreicht werden?«
»Durch die Unterweisung der Gutwilligen und durch den Tod aller anderen.«
»Ich verstehe diese Doktrin nicht«, sagte Sam.
Phaed hob den Peitschenstiel, doch Sam wehrte ihn ab. »Ich habe nicht gesagt, daß ich ihr nicht zustimme, sondern daß ich sie nicht verstehe. Ich bitte dich, es mir zu erklären.«
»Was verstehst du nicht?«
»Wenn Gott wirklich allmächtig ist, wie du sagst, wieso inspiriert er die Leute dann nicht einfach, ihm zu folgen. Wozu diese Umstände?«
»Seit wann ist ein Kampf denn ein Umstand?«
»In der Regel kommen Menschen dabei um.«
»Es gibt sowieso zu viele Menschen. Es hat immer schon zu viele Menschen gegeben. Wenn ein Mann ein halbes Dutzend Frauen oder mehr hat, dann muß man darauf achten, daß die Menschen sich nicht zu sehr vermehren. Also führen wir Kriege, um den Bestand zu regulieren. Die Dummen und Schwachen werden ausgemerzt, und die Überlegenen pflanzen sich fort. Das ist der Lauf der Welt.«
»Aber ihr habt keinen Frauenüberschuß, sondern einen Männerüberschuß.«
»Weil wir hier in Voorstod festsitzen, Junge! Wenn wir uns frei zwischen den Sternen bewegen würden, sähe das schon ganz anders aus.« Phaeds Augen nahmen diesen Glanz an, wie es oft geschah, wenn er vom freien Leben zwischen den Sternen schwadronierte. Er hatte eine Vision dieser Zukunft, die er indes nicht mit Sam teilte; manchmal sah Sam jedoch, wie Phaed entspannt und mit verklärtem
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