Monströse Welten 2: Hobbs Land
Dinge so zurecht, wie es zur optimalen Ausführung des Auftrags erforderlich ist. Wir bringen alte Frauen und Kinder um und sagen dann ›Für Gott und Voorstod‹. Weil es im Grunde keine Rechtfertigung für solche Handlungen gibt, sagen wir eben, wir hätten es für Gott und Voorstod getan. Und mit deiner Mutter ist es dasselbe. Um es leichter für mich zu machen, behaupte ich, sie hätte mich verlassen.«
»Aber das stimmt doch gar nicht.« Nun konnte Sam doch nicht mehr an sich halten.
»›Wenn ich etwas zehnmal sage, dann ist es wahr.‹ So lautet doch eines eurer Sprichwörter. Wir konditionieren die jungen Männer mit solchen Sprüchen, Gebeten und Gesängen. Sie werden ständig demselben Sermon ausgesetzt, bis die Worte in ihr Bewußtsein gefräst sind. ›Entschlossenheit ist die Waffe Gottes; Gedanken sind der Feind der Entschlossenheit; Worte verdrängen die Gedanken; also lernt Worte‹, sagen die Schriften. Schon auf Menschenheimat hatten unsere Söhne die Worte auswendig gelernt, damit sie nicht auf dumme Gedanken kamen. Was soll Gott mit Gefolgsleuten, die zweifeln und Fragen stellen? Der Allmächtige braucht Gläubige, die ihm blindlings gehorchen!«
Ein Tag reihte sich an den anderen. Sam hatte bereits jedes Zeitgefühl verloren. Mindestens neunzig Tage, sagte er sich irgendwann. Auf jeden Fall nicht weniger als achtzig. Sam befaßte sich mit der Schrift und der Doktrin. Er identifizierte sich zwar nicht mit den Inhalten, aber er studierte sie dennoch. In den Pausen fragte er sich, was er nach seiner Rückkehr nach Hobbs Land tun würde. Nach der Rückkehr zu Maire, Sal und China. Was er den Frauen sagen und was er für sie tun würde, damit sie wußten, daß sie ihm etwas bedeuteten.
Bisher war er immer der Ansicht gewesen, die reine Bekundung seiner Absichten hätte genügt. Er hatte wohl gesagt, »Heirate mich, China«, aber gemeint hatte er: ›Heirate mich, damit ich deiner sicher bin. Heirate mich, damit ich dich in einen Käfig stecken und dich bestrafen kann, wenn du ihn verläßt.‹
Und das gleiche galt auch für Maire und Sal. ›Hier hast du einen Strauß Blumen zum Geburtstag, Mam; und im übrigen möchte ich während dieser Saison nicht mehr belästigt werden. Hier hast du ein Geschenk zum Erntedankfest, Sal; und nun laß mich in Ruhe.‹
War es doch so viel einfacher, sie in Käfige zu stecken und andere Verehrer, Söhne und Brüder von ihnen fernzuhalten; vor allem deshalb, weil sie nur einen Sohn beziehungsweise Bruder hatten.
Obwohl, wie eine Stimme ihm zuflüsterte, sie vielleicht doch jemanden finden würden; es gab nämlich auch noch andere Bande als Blutsverwandtschaft.
Als sie eines Abends aufs Dach gingen, sahen sie, daß keine Körper an den Pfählen hingen. In jener Nacht konnte Phaed sich nicht auf das Buch konzentrieren; er geriet in Zorn, legte die Peitsche aus der Hand, und als er dann nach ihr suchte, fand er sie nicht mehr. Schließlich schlug er das Buch zu und ließ den Blick über die Stadt schweifen. So etwas war noch nie vorgekommen.
»Wollen wir reden?« fragte Sam.
»Worüber?« grunzte Phaed.
»Ich möchte einfach nur mit dir reden, Vater«, sagte Sam.
»Was willst du mir denn sagen?« fragte Phaed.
»Daß du mich hier ankettest, ist Unsinn. Schließlich bin ich freiwillig von Hobbs Land gekommen, um dich kennenzulernen.«
»Na gut, jetzt bist du hier. Wo du auch sein solltest. Und nun lernst du, was du schon längst hättest lernen müssen.«
»Weshalb bist du eigentlich nicht zu mir gekommen, Dad?«
»Wieso hätte ich das tun sollen? Wie komme ich dazu, hinter Frauen und Bälgern herzulaufen? Ein Mann bekommt immer wieder eine Frau. Ein Mann bekommt immer wieder Söhne. Geht ganz einfach. Du hast es schließlich selbst praktiziert. Dieser Bengel Jep stammt doch von dir.«
»Und wenn du noch einen Sohn bekämst, er wäre nicht ich. Und wenn du eine neue Frau hättest, sie wäre nicht Maire. Du hast doch sicher an Maire gedacht?«
»Natürlich, Junge«, erwiderte Phaed mit einem Kichern. »Sie ist doch meine Frau. Mutter meiner Kinder. Ich werde sie immer als abschreckendes Beispiel vor Augen haben.«
»Liebst du sie denn noch?«
»Ich habe dir doch schon gesagt, was Liebe ist, Sam. Liebe ist Gehorsam gegenüber Gott. Ich wollte Maire. Das ist ein Unterschied. Männer, die im Dienst der Sache ihr Leben riskieren, haben einen Anspruch darauf, daß ihre Bedürfnisse erfüllt werden.«
»Dad.«
»Ja…«
»Ich möchte, daß du mir etwas
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