Monströse Welten 2: Hobbs Land
den letzten Winkel aus.
Es war so sinnlos. Er war hierher gekommen, um endlich seinen Vater kennenzulernen, und nun war er ein Gefangener. Dabei war er doch aus freien Stücken hier. Anstatt ihn kennenzulernen und vielleicht sogar von ihm zu lernen, hatte sein Vater ihn eingesperrt. Eine verrückte Sache. Phaed wußte doch ganz genau, wer er war!
Und wo war Maire? Auf der Farm? Saß sie am Kamin und wurde von den Gharm mit Nahrung versorgt, wie es gestern und vorgestern noch der Fall gewesen war? Weshalb hatte man sie nicht auch hierher gebracht? Wußte sie, daß er keine andere Wahl gehabt hatte, als sich von ihr zu trennen? Sie würde doch wohl nicht glauben, daß er einfach verschwunden wäre und sie dem Schicksal überlassen hätte, das Phaed ihr zugedacht hatte. Er hatte nicht geplant, sie zu verlassen, und er betete, daß sie das auch wußte.
Weil sie nämlich weiß, sagte er sich, daß ich sie liebe und sie nie im Stich lassen würde.
Aber woher sollte sie das denn wissen?
Betrübt fragte er sich, ob Maire überhaupt von seiner Zuneigung wußte. Hatte er ihr jemals gesagt, daß er sie liebte, und zwar so, daß sie das auch wirklich glaubte? Hatte er es ihr in irgendeiner Art und Weise gezeigt? Er erinnerte sich wohl, daß er »O ja, Mam, ich liebe dich auch« gesagt hatte; allerdings hatte er es ohne innere Anteilnahme gesagt, als ob er einem Hund einen Knochen hingeworfen hätte. Obligatorische Aufmerksamkeiten aus gegebenem Anlaß, aber nie spontane Bekundungen der Zuneigung. Einen Blumenstrauß zum Geburtstag. Eine Flasche Wein zum Erntedankfest. Und was sonst noch?
Nichts sonst.
Er packte die Gitterstäbe und zerrte daran; der körperliche Schmerz war immer noch erträglicher als die Seelenqualen. Hatte er Maire jemals davon überzeugt, daß er sie liebte?
Liebte er sie überhaupt?
Vielleicht war er bisher auch der Ansicht gewesen, daß sie seine Liebe überhaupt nicht verdiente. Er hatte ihr nämlich nie verziehen, daß sie ihn von Voorstod weggebracht hatte. Sie hätte ihn auch hierlassen können. Sie hätte ihn nicht vor die Wahl stellen dürfen. Es wäre leichter für sie gewesen, wenn sie ihn zurückgelassen hätte. Manchmal hatte er ihr vorgeworfen, daß sie ihm den Vater genommen hatte beziehungsweise daß sie überhaupt weggegangen war. Er hatte ihr unterstellt, sie hätte Maechy lieber gehabt als ihn, Sam.
Er wandte sich vom Fenster ab und strich über die Wände, die steinernen Wände. Männer gingen die Straße entlang und betraten den Platz mit den Marterpfählen. Marterpfähle und Haken in den Mauern der Zitadellen, Blut und Schmerz und Tod. Voorstod.
Maire hatte ihm weder von den Propheten noch von den Haken in den Mauern erzählt. Würde sein Leben hier enden? Wurden die Opfer gleich umgebracht? Oder wurden sie erst an diesen großen, spitzen Haken aufgehängt? Er stellte sich vor, wie die Metallhaken sich in weiches Fleisch bohrten.
Sam brach in Tränen aus, ohne zu wissen weshalb. Er hatte den Tod nie gefürchtet, doch plötzlich zitterte er vor Angst, sackte auf den Fußboden und weinte. Schließlich fiel er in einen Erschöpfungsschlaf.
Von einem Geräusch auf der Straße wurde er wach. Der Mond war weitergewandert, und die Männer im Halbdunkel der Straße wurden von einem diffusen Licht beschienen. Es waren Mugal Pye und zwei weitere Männer. Obwohl sie sich im Flüsterton unterhielten, trug die wie ein Verstärker wirkende Gasse Sam jedes Wort zu. Ein weißhaariger Mann raunzte gerade Mugal Pye an.
»Was willst du hier, Pye?«
»Bin wegen Phaeds Sohn gekommen, Preu Flandry!«
»Was willst du denn mit dem Sohn; du hast doch die Mutter.«
»Teufel, sie ist uns entwischt«, knurrte Mugal.
»Wie war das denn möglich? Sie ist doch eine alte Frau! Ihr hattet Männer und Spürhunde dabei.«
»Sie ist hinunter zur Westküste«, erwiderte Mugal Pye gereizt. »Die Frau muß gewetzt sein wie ein Karnickel. Am Strand lagen ein paar Fischerboote. Hat den Anschein, daß sie sich eins genommen und die übrigen unbrauchbar gemacht hat.«
»Sie wollte wohl die Blockadeflotte erreichen«, spekulierte Preu.
»Wer weiß. Vielleicht hat sie es geschafft, vielleicht ist sie auch ertrunken. Könnte aber auch eine falsche Fährte gewesen sein. Ich wüßte noch einen Ort, an dem sie sich eventuell aufhält«, ertönte da eine dritte Stimme.
»Der Awateh will sie haben, Epheron Floom«, zischte Preu. »Deshalb bin ich doch hier! Wenn wir sie dem Awateh übergeben, sind wir diese Sorge
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