Monströse Welten 2: Hobbs Land
lassen? Weil sie die Tchenka brauchen?«
»Wie eine selbst herbeigeführte Halluzination?«
»Nein. Wie der Kommandeur gesagt hat, sehen die Menschen sie nämlich auch.«
»Also eine Massenhalluzination.«
Jep schüttelte den Kopf und drückte sie enger an sich. »Dann ist der Neue Wald auf Hobbs Land also auch nur eine Halluzination?«
»Du glaubst doch selbst, daß die Götter ihn erschaffen hätten.«
»Er war aber vorher nicht da, Samstag Wilm. Solche Wälder existierten zwar in der Erinnerung der Leute, aber nicht an diesem Ort. Die Sache ist die, daß wir Menschen Wälder brauchen. Nicht wahr? Genauso wie die Gharm ihre Tchenka brauchen. Wir brauchen schöne Landschaften, um die Seele schweifen zu lassen.«
»Du hast recht«, sagte sie und schmiegte sich an ihn. »Der Wald war vorher nicht da.«
* * *
Eines Morgens tauchte Sam, von einer kleinen Gruppe Gharm eskortiert, an der Demarkationslinie auf. Die Propheten hatten an der Südgrenze von Leward County ein Lager errichtet und warteten nun auf das Eintreffen der Herden; Sams Gruppe hatte sie auf dem Weg nach Wander umgangen. Vor dem Gefechtsstand trennten die Gharm sich von Sam. »Coribee, Samgem. Coribee«, riefen sie zum Abschied. Er stand reglos und mit hängendem Kopf da, bis Samstag, Jep und der Kommandeur herauskamen und ihn in Empfang nahmen.
»Die Propheten sind nicht weit hinter mir«, sagte Sam mit schwacher Stimme.
»Ich weiß«, sagte der Kommandeur. »Wir haben einen Transmitter für sie geschaltet.« Er wies auf das Gerät, einen großen Frachttransmitter. »Das ist der einzige Transmitter nach Fenice, den es in der Stadt Splendor Magnus gab. Die Leute waren zwar nicht sehr glücklich darüber, daß wir ihn uns geborgt haben, aber er war nun mal verfügbar, und außerdem hatte ich eine Vollmacht der Königin. Eine Gruppe von Technikern ist schon seit drei Tagen damit beschäftigt, ihn auf ein neues Ziel zu programmieren.«
»Ihr habt ihnen den einzigen Transmitter abgenommen, den sie hatten?« fragte Samstag, wobei sie Sam einen besorgten Blick zuwarf.
»Wir brauchten einen«, erwiderte der Kommandeur, legte den Arm um Sam und führte ihn in den mobilen Gefechtsstand. Obwohl ihm schon aufgefallen war, daß Sam sehr schlecht aussah und vielleicht ärztliche Betreuung brauchte, beziehungsweise schon seit einiger Zeit gebraucht hätte, schnitt er dieses Thema nicht an.
»Die Transmitter liegen nicht einfach so herum. Um Ahabar zu verlassen, muß man zunächst nach Fenice, dem Drehkreuz für den interplanetaren Verkehr. Allerdings hat die Königin angeordnet, keinen Voorstoder weiter als unbedingt erforderlich ins Land zu lassen. Also scheuen wir weder Kosten noch Mühen, einen Transmitter umzuprogrammieren. Und wenn die Voorstoder dann verschwunden sind, werden wir die ursprüngliche Programmierung wiederherstellen.«
»Das wird nicht mehr lange dauern«, sagte Sam müde. »Wir haben das Lager der Propheten gesehen. Spätestens morgen werden sie hier sein.«
»Wollen Sie ihren Abgang mitverfolgen?« fragte der Kommandeur.
Sam antwortete nicht sofort. Dann nickte er. »Ja. Ich muß sehen, was… wer…« Seine Stimme erstarb.
»Wir können nicht länger bleiben«, sagte Samstag mit einem besorgten Blick auf Sam. »Ich habe das Gefühl, wir sollten abreisen.« Es war mehr als ein bloßes Gefühl. Es war ein Gefühl der Dringlichkeit. Sam schaute sie mit einem müden und traurigen Gesichtsausdruck an, als ob er sie um etwas bitten wollte, doch sie konnte nicht mehr tun, als seine Hand in die ihre zu nehmen. Ob eine Rückkehr nach Hobbs Land ihm eher nützen oder schaden würde, wußte sie nicht. Sie wußte nur, daß sie gehen mußten.
»Es gibt grüne Schlangen in Voorstod«, sagte Sam mit ausdruckslosem Gesicht. »Und Waldvögel.«
»Wir haben davon gehört«, sagte Samstag. »Es sind die Tchenka.«
»Nein«, erwiderte er kopfschüttelnd. »Keine Tchenka. Waldvögel. Wirkliche Tiere. Ich habe sie selbst gesehen. Schlangen. Vögel. Und noch andere alte Kreaturen der Gharm.«
Nachdem sie ihn ins Fahrzeug gebracht hatten, fiel er in einen Erschöpfungsschlaf.
Als der Morgen graute, saß der Kommandeur an einem Tisch in der Nähe des Transmitters und wurde von einer Schar Archivare umlagert, die geschäftig mit Recordern hantierten. Jep, Samstag und Sam hielten sich in der Kommandozentrale auf, wo sie für die anderen unsichtbar waren. Der Kommandeur wollte die Propheten nicht unnötig provozieren; am Ende hätten sie vielleicht
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