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Monströse Welten 2: Hobbs Land

Monströse Welten 2: Hobbs Land

Titel: Monströse Welten 2: Hobbs Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sheri S. Tepper
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Und die größte Lüge überhaupt war der Vertrag. Kein Gharm hatte diesem Vertrag jemals zugestimmt.
    All das hatte Maire Sam sagen wollen, als er sie nach den Liedern gefragt hatte. »Meine Lieder erzählen die Geschichte des Landes«, hatte Maire ihrem Sohn gesagt, als sie ihm von Fess, Bitty und Bel erzählte. »Es gab Wälder, Meere und die Sonne. Aber es gab keine Gharm, Sammy.«
    Sam wußte nichts von den Gharm. Als er noch ein kleines Kind war, hatte Maire ihm die Hand vor die Augen gehalten und gesagt, daß er die Gharm nicht sehen würde. Was er nicht sah, konnte er auch nicht verletzen. Er wußte nichts von den Gharm.
    Er wußte nichts von ihnen und hatte auch nicht verstanden, wovon Maire überhaupt sprach. Sie hatte ihm Dinge erzählt, die sie noch niemandem erzählt hatte, von Fess und Lilla und von dem Tag, da sie Scaery verlassen hatte, um Phaed Girat zu heiraten, wie sie gesehen hatte, daß der Saum ihres Kleides über das kleine schwarze Einsprengsel auf dem Boden glitt. Diese dunklen Punkte waren zum Symbol ihrer Ehe geworden und standen für alles, was sich zwischen ihnen ereignete. Ihr Sohn indes verstand gar nichts.
    »Keine Gharm in meinen Liedern«, sagte sie sich nun auf der Veranda ihres Schwesternhauses in der Siedlung Eins, wo Samstag Wilms Stimme die Dunkelheit durchdrang. Keine Gharm, kein Gesang zwischen den Sternen, keine Magie, keine Musik. Alles gehörte der Vergangenheit an. Sie hätte weinen mögen beim Gedanken an den kleinen Maechy, der leblos auf der Straße lag. Das Herz wurde ihr schwer beim Gedanken an die blutüberströmte, im Sterben liegende Fess.
    * * *
    China Wilm hörte, wie Jeopardy das Haus betrat und mit lauten Schritten auf sein Zimmer ging. Sie speicherte das letzte Dokument einer Reihe von aktualisierten Ernte-Ertrags-Berichten ab und schaltete den Computer aus, nachdem sie noch einen kurzen Blick auf die Uhr geworfen hatte. Siebzehn komma zwei. Werktage, die in dieser Jahreszeit um fünf oder sechs Uhr begannen, endeten um sechzehn beziehungsweise siebzehn Uhr. Um siebzehn Uhr wurde es bereits dunkel, aber es war noch immer hell genug, um den außerhalb der Siedlung gelegenen Tempel zu besichtigen.
    Sie hatte sich nie sonderlich für den Tempel interessiert, bis Jep ihr die Holzprobe gebracht und sie gebeten hatte, sie zu analysieren. Da erinnerte sie sich, daß sie einmal etwas über Dendrochronologie gelesen hatte, eine alte Methode, bei der man anhand der Jahresringe das Alter von Holz bestimmte. Weshalb sollte sie nicht spaßeshalber ermitteln, wann der Tempel errichtet worden war? Daß niemand es wußte, machte es um so reizvoller. Anhand verschiedener Proben konnte sie dann eine Sequenz von Jahresringen erstellen. Damit hätte sie für eine Weile eine interessante Freizeitbeschäftigung; vielleicht würde sie die Ergebnisse auch in den Archiven abspeichern und sich so ewigen Ruhm als Forscherin sichern.
    Außerdem müßte sie dann nicht mehr ständig an Samasnier Girat denken. Es gab Tage, an denen sie ziemlich viel Energie aufwenden mußte, um die Gedanken an Sam zu verdrängen, aber sie hatte beschlossen, ihm weder in ihrem Kopf noch in ihrem Bett einen Platz einzuräumen. Sie führte nämlich ein ruhiges Leben ohne ihn. Mit ihm war es unerträglich gewesen. Sie hatte es mehr als einmal mit ihm versucht und war nun entschlossen, sich diesem Streß nicht noch einmal auszusetzen, obwohl sie vor Neugier fast platzte, mit welchem neuen Spiel Sam nun zugange war, falls es überhaupt ein Spiel war. Die halbe Nacht lief er umher und schrie die Hügel an, sagte Africa. Er forderte Drachen zum Kampf. Ein Viehtreiber war Sam frühmorgens auf dem westlichen Hügelkamm begegnet, ohne daß der ihn jedoch erkannt hätte. Er sei mit einem Knüppel bewaffnet gewesen, einem zum Schlag erhobenen abgebrochenen Ast, den er in letzter Sekunde heruntergenommen hätte, als ob er von einer unsichtbaren Hand geführt worden wäre. Der Viehtreiber war wie ein geölter Blitz zur Siedlung gerannt, ohne Sam nach den Beweggründen für dieses Verhalten befragt zu haben. Africa hatte er es natürlich gemeldet – sie war nämlich seine Teamleiterin –, und sie hatte sich dann an China gewandt. Nicht daß sie erwartet hätte, von China eine Erklärung zu bekommen. China hatte noch nie begriffen, was in Sam vorging.
    China musterte sich schnell noch im Spiegel, bevor sie das Schwesternhaus verließ. Die Frisur war ordentlich; die schwarzen Locken fielen ihr bis dicht über die rasierten

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