Monströse Welten 2: Hobbs Land
tippten mit Gespensterfingern an die Fenster. Sie versteckten die Gharm in Kellern und Heuhaufen und statteten sie mit Lebensmitteln, Kleidung und Geld aus.
»Hast du vielleicht eine Erklärung für das Verschwinden der Gharm?« fragte Dad sie.
»Mit solchen Dingen beschäftige ich mich gar nicht«, erwiderte sie. »Die Musik nimmt mich voll in Anspruch.«
»Sie sind unsere Diener, weißt du«, klärte er sie auf. »Sie haben einen tausendjährigen Dienstvertrag unterzeichnet, und sie haben noch fünfhundert Jahre abzuleisten.«
»Ich habe davon gehört«, sagte sie; sie hatte schon so oft davon gehört, daß sie es nicht mehr hören konnte.
»Sie sind an uns gebunden«, fuhr er fort, wobei sie ihn nur ausdruckslos ansah. Er fragte Mam, wann Maire ihn zum letzenmal geküßt und Dad genannt hatte, worauf sie ihn an die Peitsche und Fess, das kleine Gharm-Kind, erinnerte. Aber, sagte er zu Mam, das würde sie ihm doch wohl nicht mehr nachtragen. Schließlich läge es schon einige Jahre zurück.
»Ich weiß nicht«, erwiderte Maires Mutter. »Ich habe keine Ahnung. Sie beschäftigt sich nur mit ihren Liedern und spricht nicht mit mir.«
Obwohl Lilla und ihre Familie nun fort waren, waren die Erinnerungen an Scaery doch zu schmerzlich. Als Phaed Girat den ganzen Weg von Wolke kam und um ihre Hand anhielt, hoffte sie, daß es dort besser oder zumindest anders sei. Sie war bei weitem nicht die einzige, die sich von solchen Erwägungen leiten ließ; viele ältere und erfahrenere Frauen hatten schon aus dem gleichen Motiv geheiratet. Mit siebzehn Jahren war sie durchaus schon im heiratsfähigen Alter, zumal Phaed ein stattlicher Mann mit funkelnden Augen und der Attitüde eines stolzierenden Hahns war. Er liebte ihren Gesang, so sagte er, und lobte sie über den grünen Klee. Sie saßen in der Laube, sie bis zu den Augen verschleiert, und er machte ihr Komplimente; Mam stand direkt hinter der Tür, wobei er so plaziert war, daß sie ihn sehen konnte. Manchmal erzählte er interessante Geschichten.
»Vor langer Zeit führte Gott uns zu einem neuen Land, wo wir die Gharm fanden«, sagte Phaed. »Unser Gott war stärker als die kleinen Götter des Gharmish-Volks, denn ihre Götter waren nur so groß wie sie selbst. Wir nahmen das Land in Besitz und nannten es Voorstod, denn das war der Name unseres Propheten. Wir jagten die Gharm in die Wüsten und Polarregionen und machten uns die Welt Untertan, wie Gott es befahl. Der Allmächtige Gott hatte uns gesagt, wir sollten fruchtbar sein, uns vermehren und die Welten besiedeln, und das taten wir auch, bis diese Welt besiedelt war, wie wir zuvor schon andere Welten besiedelt hatten.«
Als Maire sich dann mit den Gharm unterhielt, die sich auf die Flucht vorbereiteten, bekam sie eine etwas andere Version zu hören. Sie berichteten von ausgebeutetem und übervölkertem Land, das zu einem Schlackeklumpen verkommen war und wo saurer Regen fiel, der nur noch Dornbüschen eine Existenz ermöglichte. Die Gharm verhungerten in der Wildnis, die Voorstoder hatten die Städte auf halbe Ration gesetzt, und das Land lag tot zu ihren Füßen, denn der Gott der Voorstoder war ein Gott der Vernichtung, der nichts erschuf, sondern alles zerstörte, Planeten wie Lebewesen, und der sich nur um die Belange der Menschen kümmerte.
»Bald hatten wir alles genommen, was der Planet uns zu bieten hatte«, sagte Phaed mit oberlehrerhafter Attitüde, »doch der Allmächtige Gott in seiner Weitsicht öffnete uns ein Tor zu einem anderen Planeten. Und als wir uns anschickten zu gehen, wer kam da angekrochen und bat uns, mitkommen zu dürfen? Natürlich die Gharm.«
Die Gharm wußten von dem Tor. Es ruhte nämlich auf dem Fundament von Toten, von hunderttausend toten Gharm-Sklaven. Sie erzählten Maire, wie man die Gharm zusammengetrieben und nach Gewaltmärschen wie Vieh in Ställe gesperrt hatte.
»Wir wären lieber dort gestorben«, sagten die Gharm nachts im Flüsterton zu Maire, »aber sie fingen uns ein und verkauften uns, und diejenigen, die sie nicht verkauften, brachten sie mit an diesen Ort.«
Phaed schilderte den Hergang natürlich etwas anders. Er erzählte die Story immer wieder, und wenn er ein paar Schnäpse intus hatte, kleidete er sie sogar in Liedform. Ob er die Geschichte nun prosaisch, poetisch oder als Lied zum besten gab, es blieb eine Lüge, sagten die Gharm. Sie wären am liebsten auf ihrem verwüsteten Planeten gestorben, aber dieses Recht hatte man ihnen nicht zugestanden.
Weitere Kostenlose Bücher