Monströse Welten 2: Hobbs Land
Tagen hatte er schon wieder vergessen, daß er Shan derart in Verlegenheit gebracht hatte. An die Möglichkeit indes, daß eine Gefahr auf Hobbs Land lauerte, erinnerte er sich noch sehr gut. Der Arm der Prophetin hatte hart trainiert. Nun hegte er die mehr als nur geringe Hoffnung, daß auf Hobbs Land eine Gefahr existierte, die von diesem muskulösen Arm eliminiert werden konnte.
* * *
Derweil schlief Sam Girat auf Hobbs Land den Schlaf des Gerechten. Er wurde nicht von solchen Szenarien umgetrieben, sondern durchstreifte im Traum den Höhlencanyon, untersuchte jede einzelne Höhle und entdeckte dabei exotische Kreaturen.
China Wilm träumte von einem saphirblauen See, in dem aus unterirdischen Quellen Blasen aufstiegen und wie Ballons über der ruhigen Oberfläche schwebten. Der See wurde von einem Ufer gesäumt, dessen Sand wie Diamanten glitzerte. Diesen See hatte sie als Kind gesehen, oder vielleicht hatte sie ihn sich auch nur in ihrer Phantasie vorgestellt. Ab und zu ging sie zu diesem Ort, um Ruhe und Frieden zu finden.
Maire Girat träumte vom Voorstod ihrer Kindheit, von steilen Berghängen, deren Ausleger in die tiefhängenden Wolken hineinragten, von Vögeln, die in den Bäumen zwitscherten, von traubenbehängten Ranken, die über von der Sonne erwärmten Mauern hingen. Es war ein idealisiertes Voorstod, ohne Schatten. Das Land, wie sie es sich in ihrer Jugend vorgestellt hatte.
Die anderen Menschen träumten von Kindern, Eltern, Männern und Frauen. Sogar die Katzen träumten, zusammengerollt in ihrem Versteck, und ihre Jungen, die sich an die Mutterbrust kuschelten. Samstag träumte. Und Jep. Und Birribat Shum unter der Erde träumte mit ihnen.
* * *
Topman Harribon Kruss nahm sich zwei Tage Urlaub, um die Siedlung Eins zu besuchen. Von einem Topman wurde erwartet, daß er seine Erfahrungen an die Allgemeinheit weitergab: Also hätte er sich durchaus eine offizielle Dienstreise genehmigen lassen können, doch er wollte den Zeitplan selbst bestimmen, und er war auch nicht gerade darauf erpicht, daß Spiggys Zuträger in der Finanzabteilung Spekulationen bezüglich des Anlasses der Reise anstellten. Vor dem Abflug besuchte er noch für ein paar Stunden seine Mutter. Sie wachte nur einmal kurz auf, lächelte ihn an und murmelte etwas Unverständliches. Er unternahm die Reise allein, derweil Dracun in der Siedlung Drei frustriert an den Nägeln kaute. Obwohl sie Jamels Verschwinden im Grunde begrüßte, benahm sie sich seitdem wie eine schlechte Kopie von Zilia Makepeace und stieß allenthalben wirre Anschuldigungen aus. Harribon wollte vermeiden, daß sie mit ihren Äußerungen den Topman der Siedlung Eins brüskierte, von dem er schon interessante oder vielmehr beunruhigende Dinge gehört hatte.
Topman Samasnier zeigte sich bei Harribons Begrüßung indes von seiner besten Seite, wies ihm das schönste Gästezimmer zu, gab ihm in der Taverne einen Drink aus und lud ihn ein, mit ihm und Saluniel zu Abend zu essen.
Harribon schlug die Einladung taktvoll aus. »Äh… Sam, ich will Saluniel keine Umstände bereiten. Sie hat doch zwei kleine Kinder, nicht wahr?«
»Drei. Sahdereh, Sahkela und Sandemon.« Er lachte. »Fünf, sieben und neun. Sie sind schon ziemlich anstrengend, aber das macht nichts. Ein paar der älteren Frauen bereiten im Bruderhaus ein Abendessen für uns zu. Wir haben schon einige Rentner, Harri. Unglaublich, wie die Zeit vergeht, was? Ich erinnere mich noch an den Tag, als wir aus dem Transmitter traten. Ich war damals sechs, und wie alt war gleich noch mal der älteste Siedler? Fünfzig Lebens-Jahre? Und nun haben wir schon Ururgroßmütter! Natürlich waren sie schon Großmütter und Mütter, als sie hier ankamen, aber bald werden die Leute genug Landgutscheine haben, um sie einzulösen.«
Harribon, der etwas jünger war als Sam, nickte nur lächelnd und wunderte sich darüber, wie entspannt Samasnier Girat wirkte, dem man doch nachsagte, er sei steif wie ein Ladestock. Sam Girat, der angeblich so durchgeknallt war, daß er die halbe Nacht in der Gegend umherlief und mit Monstern kämpfte. Am Alkohol lag es jedenfalls nicht; sie hatten nur einen Drink genommen. Es war aber auch nicht ausgeschlossen, daß Sam irgend etwas anderes intus hatte. Vielleicht hatte ein Sanitäter ihm ein Beruhigungsmittel verabreicht.
»Was führt dich her, Harri?«
Diese Frage kam für Harribon so überraschend, daß er sich an seinem Drink verschluckte. Er hatte bisher angenommen, daß Sam den
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