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Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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wusste nicht, warum seine Mutter ihn so wütend machte. Sie hatte doch gar nichts gesagt. Nichts Falsches gesagt. Trotzdem hätte er am liebsten wieder abgesagt. Doch dann dachte er an Lilly. Er stellte sich vor, wie er in sie eindrang. Wie er sie ausfüllte. Ganz ausfüllte. Schwängern wollte er sie. Ihren Körper übernehmen.
    Plötzlich dachte er an Tina, die während der Schwangerschaft müde und aufgedunsen war und es ihm persönlich übelnahm. «Sieh nur, was du mit mir gemacht hast!», warf sie ihm vor.
    Himmelarsch, reiß dich zusammen! Citta vrtti , das kannst du laut sagen! Er rief Lilly an, doch Lilly zierte sich. «Heute?»
    «Prinzessin, du hast einen Wunsch geäußert, und ich erfülle ihn. Natürlich sofort! Natürlich heute!»
    «Ja, aber heute passt es mir gar nicht, ich geh um sieben ins Yoga, und danach haben wir uns schon in der Bar verabredet.»
    «Kein Problem», sagte Ted, «ich komme einfach dazu.»
    «Na gut. Wenn du meinst. Es kann aber dauern. Wir haben einiges zu besprechen. Gion will eine Yoga-DVD drehen und möchte mich in der Gruppe haben, die mit ihm übt. Er hat gesagt, ich darf in der ersten Reihe stehen, gleich hinter ihm.»
    «Ich warte. Das macht mir nichts aus. Solange ich mit dir nach Hause gehe, Baby …»
    «Kindskopf!» Lilly kicherte geschmeichelt, dann legte sie auf, und Ted packte Emmas Sachen zusammen. Er packte den rosa Miss-Kitty-Rucksack und erinnerte sich an das mulmige Gefühl, mit dem er ihn bis vor kurzem jeden Sonntagabend gepackt hatte. Er hatte nie sicher sein können, dass Tina tatsächlich zur verabredeten Zeit kam, um Emma abzuholen. Wenn er den Rucksack aber nicht gepackt hatte, dann war sie garantiert pünktlich und hatte es außerdem eilig. Wie oft hatte er sich gewünscht, diesen Rucksack nicht mehr packen zu müssen. Das mulmige Gefühl überkam ihn auch jetzt, automatisch. Beruhige dich, dachte er, es ist ja nur für eine Nacht. Ob es das war, was mit Verwechslung gemeint war? Dass er nicht den Rucksack mit dem kitschigen, schon halb abgeblätterten Aufdruck sah, sondern Tina?
    Emma strahlte, als sie das rosa Ding an der Lenkstange seines Fahrrads baumeln sah. Sie rannte auf ihn zu und sprang ihm in die Arme, was sie in Sichtweite ihrer Mitschülerinnen nur selten tat.
    «Dann darf ich zu Oma?»
    «Ja, Kleines. Aber ich geb dir einen Tipp: Nenn sie nicht Oma. Sie heißt Ingrid.»
    «Du bist blöd, Papa! Wenn sie doch meine Oma ist!» Emma stieg auf ihr Rad und fuhr los. «Wir fahren», schrie sie. «Wir fahren zu meiner Oma!»
    Ted trat in die Pedale. So ausgelassen hatte er Emma nicht erlebt, seit sie bei ihm wohnte. Seine Mutter würde sie unweigerlich enttäuschen. Sie konnte gar nicht anders. «Nenn mich nicht Mama!», hatte sie ihn angeherrscht, wann immer ihm das Wort herausgerutscht war. «Ich existiere schließlich nicht nur in dieser Funktion! Ich bin ein Mensch, vielen Dank, ich habe einen Namen, und der ist nicht Mama. Ich heiße Ingrid.»
    Sie würde Emmas hoffnungsvolles Herz brechen. Aber er konnte es nicht ändern. Nicht heute Nacht. Heute Nacht gehörte er Lilly.
    «Emma! Liebling!» Seine Mutter wartete mit ausgebreiteten Armen an der Lifttür, Emma schlüpfte in diese Arme, als wären sie ihr vertraut. «Oma!», rief sie, und dann drehte sie sich zu Ted um und blinzelte ihm zu.
    «Nun geh schon, lass uns Mädchen allein!» Ingrid zeigte mit dem Kinn zur Haustüre. «Wir sehen dich morgen!»
    «Aber …» Die Lifttür schloss sich hinter ihnen, er hörte sie kichern, dann waren sie weg. Einen Augenblick blieb er so stehen, dann fasste er sich wieder: Lilly, dachte er. Lilly.
    Ted würde sich hüten, die Level-3-Klasse um sieben Uhr zu besuchen. Er würde sich doch vor ihr nicht zum Affen machen. «Ach nein? Würdest du nicht?», hörte er Tobias ’ Stimme in seinem Kopf. Trotzdem war er kurz nach sieben in der Fabrik am Wasser. Er setzte sich an die Bar und bestellte ein Bier. Er dachte an Emma und an seine Mutter. Würde Emma ihre Hausaufgaben erledigen? Würde Ingrid sie vor den Fernseher setzen, während sie mit ihren Freundinnen telefonierte? Und wäre das so schlimm? Der Fernseher konnte Emma wenigstens nicht verletzen. Plötzlich sah er seine Mutter vor sich, wie sie in der WG-Küche saß, eine selbstgedrehte Zigarette rauchte, den Kopf mit Alufolie umwickelt, unter der eine Hennapackung einwirkte, vor sich auf dem Tisch trockneten die Überreste der grünlichen Paste in einem Plastikschüsselchen. Ted konnte sie noch riechen,

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