Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen
Kim alles. Wir gingen zusammen joggen, am Fluss, Kim war sportlicher als ich, fitter, ich hatte Mühe, die Worte aneinanderzureihen, ich war außer Atem. Ich blieb stehen. Und da ging Kim auf mich los. Und plötzlich – ich weiß nicht – plötzlich war meine Handkante an ihrer Kehle. Kim starrte mich an, dann taumelte sie ein paar Schritte zurück, stolperte und fiel rückwärts den Uferhang hinunter. Ich hörte noch, wie sie im Fallen auf den Steinen aufschlug, ich hörte sie auf dem Wasser aufklatschen. Dann nichts mehr. Ich rannte einfach weiter. Ich rannte davon. Ich rannte nach Hause und packte meine Sachen, ich wollte gleich zu Poppy. Ich wusste nicht, was ich getan hatte. Es war mir nicht klar. Dann weiß ich nichts mehr, bis ich irgendwann unter der Dusche stand und weinte. Ich wusste, dass ich mir den Weg zu Poppy verbaut hatte. Man würde Kim finden, man würde mich verdächtigen, und wenn man herausfand, dass sie meine Geliebte war, auch sie. Ich versuchte, die Spuren zu verwischen, ich meldete mich bei der Polizei, ich machte alles noch schlimmer. Und dann trat Poppy vor, sie stellte sich vor mich. Sie wollte mich schützen. Man kann niemanden schützen. Vor nichts.
Weißt du, was das Schlimmste ist? Nach dem Tod meines Vaters ist meine Mutter zusammengebrochen. Sie hat nur noch geweint und gejammert und geklagt. Was für ein großer Mann er doch gewesen sei, und dass keiner von uns ihm das Wasser reichen konnte.
Aber ich, ich habe meine Frau umgebracht.»
Um seine Ergebenheit zu beweisen, riss sich Hanuman die Brust auf. Sie blutete nicht. Mitten im zuckenden Muskel seines Herzens saßen Sita und Rama, mit geschlossenen Augen, und meditierten. Der perfekte Mann und die perfekte Frau.
«Es gibt nichts, was du nicht tun kannst», sagte Nevada. Das hatte der Bärenkönig zu Hanuman gesagt. Um ihn daran zu erinnern, wer er war. Und wer sich an Hanuman erinnert, wer seinen Namen täglich ausspricht, wird von Krankheit geheilt und von Schmerzen befreit.
Nevada band sich einen Schal um den Hals, über den roten Abdruck seiner Hand. Arm in Arm gingen sie die Treppe hinunter. An der Bar vorbei, in der ihre Schüler saßen. Sie gingen über den Hof zum Parkplatz. Nevada spürte seinen Arm auf ihrem. Sie hatte keine Angst. Ihr Arm war schwach, und seiner zitterte leicht. Sie begehrte ihn nicht mehr. Nevada wusste wieder, wer sie war. Sie war die Lehrerin.
Wolf öffnete die Beifahrertür und wartete, bis Nevada eingestiegen war, ging um den Wagen herum und setzte sich ans Steuer. Als er den Zündschlüssel ins Schloss steckte, zitterte seine Hand nicht mehr.
Er stellte den Wagen vor dem Polizeiposten ab. Wieder ging er um ihn herum, hielt Nevada die Tür auf und half ihr beim Aussteigen. «Kommst du mit?»
Nevada nickte, und er nahm ihren Arm. Vor der Tür hielt er inne. «Wie kommst du nachher zum Studio zurück?», fragte er. «Du solltest meinen Wagen nehmen.» Er reichte ihr den Schlüssel. Dann traten sie ein. Wolf hielt ihr die Tür auf, deutete auf einen Stuhl und ging dann zu dem Schalter am Ende des Raumes.
«Ist jemand von der Kriminalpolizei da, Burckhardt oder Walder?», fragte er höflich.
«Worum geht es?»
«Ich möchte ein Geständnis ablegen.»
Wolf setzte sich neben Nevada auf einen Stuhl und wartete. Irgendwann nahm sie seine Hand. Oder er ihre. So saßen sie nebeneinander und warteten und schwiegen. Es dauerte nicht lange, und eine stämmige Frau in einem schlechtsitzenden Anzug stand vor ihnen. «Herr Doktor Bolliger», sagte sie. «Zu Ihnen wollten wir heute auch noch. Und wer sind Sie?»
«Nevada Marthaler.»
Die Polizeibeamtin schien auf eine Erklärung zu warten.
«Ich bin die Yogalehrerin von Poppy Schneider», sagte Nevada. «Und die von Wolf.»
Walder schnaubte. «Von Ihnen haben wir gehört!»
Wolf stand auf. «Ich möchte ein Geständnis ablegen», sagte er. «Ich bin es, der Kim umgebracht hat. Nicht Poppy.»
«Das wissen wir auch schon», sagte Walder. «Dann kommen Sie mal mit.»
Nevada stand auf. «Sie nicht», sagte Walder. Sie nahm Wolf am Arm und führte ihn am Schalter vorbei zu den Fahrstühlen. Dort blickte Wolf über seine Schulter zurück. Er sah Nevada an. «Danke», flüsterte er.
Erinnere dich daran, wer du bist.
Nevada schloss den roten Mercedes auf und setzte sich ans Steuer. Das Steuerrad war mit Leder verkleidet, es fühlte sich warm an unter ihren Händen, lebendig. Sie steckte den Schlüssel ins Schloss, suchte mit dem rechten Fuß das
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