Montana 04 - Vipernbrut
zum oberen Teil der Stadt entfernt. Ihr verbeulter, fünfzehn Jahre alter Honda war unter der dicken Schneeschicht kaum auszumachen.
Sie würde die Scheiben freikratzen müssen. Am besten, sie ließ den Motor laufen, damit die Scheibenheizung das Eis schon mal antaute.
Nachdem sie mit dem Mantelärmel den Schnee von der Tür gefegt hatte, schloss sie auf und stieg ein. Oh, war das kalt! Zitternd steckte sie den Schlüssel in die Zündung und ließ den Motor an.
Nichts.
»O nein, bitte nicht. Nicht jetzt!« Sie versuchte es noch einmal.
Nichts.
»Komm schon, komm schon!«, drängte sie und probierte es wieder und wieder, doch der Wagen sprang nicht an. »Na großartig!« Was würde wohl sonst noch schiefgehen? Sie griff nach ihrem Handy und überlegte, wen sie anrufen könnte. Mitglied in einem Automobilclub war sie nicht; das letzte Mal, als ihr Wagen liegengeblieben war, hatte sie Carl angerufen, und er war binnen zehn Minuten mit einem Überbrückungskabel in seinem hochgebockten Dodge angekommen. Seitdem war ihr Honda tadellos gelaufen.
Bis jetzt.
Nun, sie konnte ihren Ex heute Nacht wohl kaum um Hilfe bitten.
Stinksauer stieg sie aus dem Wagen, knallte die Tür zu, schloss ab und versetzte dem verdammten Ding einen Tritt. Warum musste das ausgerechnet jetzt passieren? Beruhige dich. Sieh einfach zu, dass du nach Hause kommst, und dann schenk dir ein Glas … Apfelsaft ein. Mist! Bibbernd beschloss sie, zur Party zurückzukehren. Vielleicht würde einer der letzten Gäste sie nach Hause bringen. Um den Honda würde sie sich morgen bei Tageslicht kümmern. Wenn sie warme Stiefel anhätte, Strumpfhose, Skijacke, Schal und dicke Handschuhe.
Ihre Stimmung sank noch weiter in den Keller. Sie hoffte, dass Alan, der als Kassierer arbeitete, noch da war. Er war zwar ein kleiner Streber, aber wenigstens würde sie dann nicht Monty, diesen Widerling, und seine zickige Frau um Hilfe bitten müssen. Obwohl ihr das mittlerweile auch schon fast egal war. Sie trippelte wieder am Black Horse Saloon vorbei und stellte fest, dass zwei der Jungs, die vor der Tür geraucht hatten, verschwunden waren. Mit vor Kälte klappernden Zähnen setzte sie ihren Weg in Richtung Flussufer fort.
»Johnna? «
Sie fuhr herum, als sie ihren Namen hörte, und wäre vor Schreck fast auf ihren hohen Absätzen ausgeglitten, als sie die dunkle Gestalt bemerkte, die sich aus dem Schatten des Pubs löste.
»Was tun Sie hier draußen? Bei der Kälte!«
Johnna entspannte sich ein wenig, als sie ihn erkannte, und erklärte: »Weihnachtsfeier von der Bank, wie jedes Jahr.« Sie verdrehte lächelnd die Augen. Er war ein Kunde, ein guter Kunde, auch wenn die Bank ihm den Privatkredit, den er vergangenes Jahr hatte aufnehmen wollen, nicht gewähren konnte, weil seine Frau die Unterschrift verweigerte.
»Was ist mit Ihnen?«
»Ich war nur auf ein paar Gläschen im Black Horse.« Er deutete mit dem behandschuhten Daumen hinter sich Richtung Pub.
»Parken Sie in der Nähe?« Er blickte die fast leere Straße hinunter. Sie zögerte, dann dachte sie: Warum nicht? Vielleicht kann er mir helfen. »Ich, ähm, ich gehe zurück zur Party, um mir eine Mitfahrgelegenheit zu suchen. Mein Wagen springt nicht an. Er steht da hinten.« Sie deutete vage in Richtung Boxer Bluff.
»Passiert das öfter?«, erkundigte er sich besorgt.
»Zum Glück nicht, obwohl er schon über dreihunderttausend Kilometer auf dem Buckel hat und offenbar dringend eine neue Batterie braucht.« Ihr Atem bildete Wölkchen in der eisigen Luft. »Ausgerechnet jetzt, wo es so kalt ist, muss er mich im Stich lassen.«
»Sind Sie sicher, dass es an der Batterie liegt?«
»Leider nicht.«
»Manchmal kann man das ganz leicht beheben. Vielleicht sollte ich mal einen Blick darauf werfen.«
»Es tut sich aber gar nichts mehr.« Sie sah kurz zum Hotel hinüber. Durch die Glastür konnte sie die einladenden Lichter in der Lobby erkennen. Drinnen wäre es warm, außerdem musste sie dringend zur Toilette.
»Ein Blick kann ja nicht schaden.« Er lächelte. »Ich kenne mich mit Motoren aus. Das muss ich, schon allein wegen der landwirtschaftlichen Geräte.«
»Nun … « Sie stellte sich Monty und seine schleimigen Annäherungsversuche vor, die stechenden Blicke seiner Frau, und schauderte. »Gern. Das ist sehr nett von Ihnen.«
»Wo stehen Sie denn?«
»In der Nähe der Eisenbahnschienen, nicht weit von der Kabinenbahn entfernt.«
»Na schön, dann sehen wir uns das mal an.« Er drehte sich
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