Montana 04 - Vipernbrut
zweidimensionalen Mann in Smoking und Zylinder. Er stand zwischen zwei Frauen, die eine davon in Hemdbluse und Nadelstreifenrock, die andere in einem roten Kleid. Alle drei hielten Liederbücher in den Händen und hatten ihre Lippen gerundet, als würden sie singen.
»Nun komm schon«, brummte er und versuchte, den Hund weiterzuziehen, der hinter den Holzfiguren herumschnüffelte und plötzlich zu jaulen anfing. »Was zum Donnerwetter ist denn nun schon wieder los?«, fragte er. Sein Blick fiel auf eine vierte Figur, die von dem großen Mann mit dem Zylinder verdeckt gewesen war. Irgendwie passte sie nicht recht zu den übrigen.
Was zum Teufel … ?, fragte er sich, kniff die Augen zusammen und trat näher heran. Ein entsetzter Schrei drang aus seiner Kehle, als er feststellte, dass er vor einem Eisblock stand, mit einer sehr toten und sehr nackten Frau darin …
»Wir haben Brenda Sutherland gefunden«, sagte Pescoli, als Alvarez ans Handy ging. Diese stand am Spülbecken und füllte eine Teekanne mit Wasser, trotzdem hatte sie das Gespräch gleich nach dem zweiten Klingeln angenommen. »Direkt in der Innenstadt, nur ein paar Schritte vom Wild Will entfernt, das muss man sich mal vorstellen! Alles war genauso wie bei den anderen: ein Eisklotz mit einer nackten Frau darin, wieder eine weihnachtlich-winterliche Kulisse, diesmal hinter einer Gruppe von Weihnachtssängern aus Sperrholz. Du weißt schon, die, die jeden Dezember vor Woodys Musikladen steht. Mir ist klar, dass du offiziell von dem Fall abgezogen wurdest, aber … ach, Mist. Ich finde, wir können jede Hilfe gebrauchen, die wir kriegen können.«
Die Teekanne lief über, und Alvarez drehte den Wasserhahn ab.
»Dieser Mistkerl hat sie mitten in der Altstadt abgestellt. Ein Mann, der mit seinem Hund draußen war, hat sie vor etwa einer halben Stunde gefunden. Er war völlig außer sich.«
»Das kann ich mir denken. Dann hat der Mörder Brenda ganz in der Nähe des Gerichtsgebäudes abgeladen?«
»Richtig. Endlich hat er einen Fehler gemacht«, brüllte Pescoli über das Heulen des Windes hinweg.
Alvarez stellte die Teekanne ab und eilte die Treppe hinauf.
»Es gibt dort überall Verkehrskameras, außerdem sind sämtliche Geschäfte videoüberwacht. Diesmal kriegen wir ihn. Ein Fahrzeug von der Größe, die nötig ist, um einen solchen Eisblock zu transportieren, bleibt nicht unbemerkt. Woody, der Besitzer des Musikladens, ist auf dem Weg hierher, um uns die Bänder seiner Überwachungskameras auszuhändigen. Mindestens eine davon war auf die Weihnachtssänger gerichtet. Er wird nicht noch einmal ungeschoren davonkommen.«
»Ich bin gleich bei euch«, sagte Alvarez und blieb vor der Schlafzimmertür stehen.
»Braves Mädchen.«
Selena hörte das Lächeln in Pescolis Stimme und wusste, dass sie gleich auflegen würde. »He, warte mal!«
»Ja?«
»Hast du etwas von Gabriel Reeve gehört?«
»Außer dass die Mutter darauf besteht, dass du dich von ihm fernhältst?«, fragte Pescoli. »Ja, habe ich. Er wird nach Helena überstellt.«
»Heute schon?«
»Sieht ganz so aus. Auch wenn es bestimmt nicht leicht wird, jemanden zu finden, der ihn bei diesem Sturm fährt. Vielleicht schickt das Department in Helena einen Deputy, der ihn abholt … Jetzt schlag bloß nicht vor, dass du das übernimmst, klar? Weder Grayson noch die Eltern werden sich darauf einlassen.« Noch bevor Alvarez etwas dazu sagen konnte, fügte Pescoli hinzu: »Ich muss jetzt auflegen«, und weg war sie.
Im Schlafzimmer sah Selena Dylan quer im Bett liegen, Decken und Tagesdecke über seinen nackten Körper gezogen. »Raus aus den Federn!«, rief sie und knipste die Nachttischlampe an. Mrs. Smith, die wieder auf ihrem Kopfkissen döste, hob ihr pelziges Köpfchen. O’Keefe blinzelte und wandte sich von dem grellen Licht ab. Die Katze streckte sich, machte einen Buckel und öffnete das Mäulchen mit der rosa Zunge und den spitzen weißen Zähnchen zu einem herzhaften Gähnen.
»Was zum Teufel ist los?«, brummte er mit verschlafener Stimme. Seine Haare standen wild in alle Richtungen ab.
»Wir haben eine weitere Leiche.« Sie zog bereits ihre Thermounterwäsche an und suchte nach ihren Jeans.
»Was sagst du da?«
»Brenda Sutherland. Ein Mann, der seinen Hund Gassi geführt hat, hat sie in der Altstadt in der Nähe des Gerichtsgebäudes gefunden.« Sie fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und drehte sie zu einem halbwegs ordentlichen Knoten zusammen.
»Wann bist du denn
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