Montana 04 - Vipernbrut
Display. »Aaah. Die verlorene Tochter möchte wieder einmal eine Freundin besuchen.« Sie tippte rasch eine Antwort: »Auf keinen Fall«, dann sagte sie, an Alvarez gewandt: »Das kommt gar nicht in Frage, der Wetterbericht hat einen weiteren Sturm angekündigt. Außerdem wollen wir heute Abend alle gemeinsam essen, und das werden wir auch, selbst wenn es uns umbringt!«
Dylan O’Keefe wartete schon auf sie.
Als Alvarez zu ihrem Subaru Outback ging, der am Straßenrand parkte, stieg O’Keefe aus seinem Wagen.
Großartig. Genau das, was sie nach einem langen, anstrengenden, doch leider völlig ergebnislosen Tag brauchte. »Das wird ja langsam zur Gewohnheit!«, begrüßte sie ihn.
»Schuldig im Sinne der Anklage.«
»Gibt es etwas, das ich für dich tun kann?«
»Ja.« Seine Stiefel knirschten auf dem gefrorenen Schnee, als er zu ihrem Wagen herüberging.
»Hast du meinen Hund gefunden?«
»Nach nicht.« Seine Nase war rot vor Kälte.
»Und was ist mit Reeve?«
»Spurlos verschwunden.« Er blickte beunruhigt drein. »Hast du mit den Kollegen aus Helena gesprochen?«
»Ja.« Sie nickte und kramte in ihrer Handtasche nach dem Autoschlüssel. Gott, war das kalt! Pescoli hatte recht: Ein weiterer Sturm war angekündigt worden, der gut dreißig Zentimeter Neuschnee mit sich bringen sollte. Genau das hatte noch gefehlt! »Sie haben alles bestätigt, was du erzählt hast. Ich habe versucht, an weitere Informationen zu kommen, und ihnen eine Zusammenarbeit mit dem hiesigen Department angeboten.«
»Und?«
»Und sie waren froh darüber, vielleicht nicht so sehr über deine Beteiligung an dem Fall, aber immerhin.«
»Aber immerhin habe ich ihn gefunden!«
»Und ihn entwischen lassen!« Sie schloss den Wagen auf und wartete, in der Hoffnung, etwas Neues über den Verbleib des Jungen oder ihres Hundes zu erfahren.
»Ich dachte, du hättest eine Idee, wo er hingegangen sein könnte.«
»Ich? Warum?«
»Weil er sich dein Haus offenbar ganz gezielt ausgesucht hat.«
Er starrte sie in der Dunkelheit an. Das Licht einer Straßenlaterne färbte ihr Gesicht leicht bläulich.
Am liebsten hätte sie gelogen und ihm weisgemacht, sie habe keine Ahnung, warum er ausgerechnet bei ihr eingebrochen war, doch das würde letztendlich nichts bringen, weder ihr noch Gabriels Familie, die sich sicher schreckliche Sorgen um ihn machte.
»Hör mal, es ist furchtbar kalt hier draußen, aber wir müssen reden«, sagte sie deshalb.
»Weiter unten an der Straße ist eine Bar.«
»Ähm … nein.« Die Bar war ein beliebter Treffpunkt für einige Deputys, die in ihrer Freizeit gern dort ihr Bier tranken. Im Grunde bot keines der umliegenden Restaurants die Privatsphäre, die sie für das anstehende Gespräch mit O’Keefe brauchte. Dasselbe galt für die meisten Lokale im unteren Teil der Stadt. Wegen der Serienmorde in den vergangenen Jahren war sie wiederholt im Fernsehen interviewt oder für die Lokalzeitung von Grizzly Falls fotografiert worden, so dass man sie hier gut kannte. »Warum fahren wir nicht zu mir?«, schlug sie daher vor, auch wenn es sie einige Überwindung kostete.
Eine seiner dunklen Augenbrauen schoss in die Höhe. »Hat das einen bestimmten Grund?«
»Ich möchte dir etwas erzählen, das unbedingt unter uns bleiben muss.«
»Okay«, sagte er und trat von ihrem Geländewagen zurück.
»Ich fahre dir hinterher.«
Sie setzte sich ans Steuer des Subarus und fragte sich, ob sie soeben einen Riesenfehler gemacht hatte, doch jetzt war es ohnehin zu spät, es sich anders zu überlegen. Als sie den Motor anließ und in den Seitenspiegel blickte, um aus der Parklücke zu setzen, sah sie, wie O’Keefe in seinen alten Ford stieg, den er ein Stück weiter hinten geparkt hatte.
Sie wusste, dass es falsch war, mit ihm allein zu sein, aber ihr blieb keine andere Wahl. Sie wollte herausfinden, wo Gabriel Reeve steckte und ob er ihr Sohn war. Und sie wollte Roscoe zurückhaben.
Als sie sah, wie O’Keefe seinen Wagen anließ, setzte sie den Blinker und fuhr aus der Lücke, dann wendete sie und fuhr an O’Keefe und einem Nachrichtenvan vorbei, der offenbar auf dem Weg zum Department war. Im Rückspiegel sah sie O’Keefes Explorer mit etwas Mühe ebenfalls wenden, kurz darauf fiel sein Scheinwerferlicht durch ihre Heckscheibe, als sie vor einer roten Ampel bremste.
Der Gedanke, dass sie sich ihrem ehemaligen Partner würde anvertrauen müssen, machte ihr mehr als nur ein wenig zu schaffen. Nervös stellte sie das
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