Montana Creeds - Soweit die Sehnsucht trägt (German Edition)
Pistole umklammert. Die Pistole, deren Abzug sie betätigt hatte, aus der aber kein Schuss gefallen war.
Überall war Blut, ihr eigenes und das von Freida. Der Anblick weckte Erinnerungen an ihren Dad, wie er den Landstreicher an jenem schwülen Sommerabend in eine Schubkarre lud.
Geholfen wurde ihm dabei von … von Floyd Book.
Floyd stand da und starrte Freida an, als könne er nicht fassen, dass er auf sie geschossen hatte. In seiner Hand hielt er nach wie vor die Dienstwaffe.
Kristy hätte nicht einmal dann ein Wort sagen können, wenn ihr Leben davon abgehangen hätte.
Floyd war auf der Ranch gewesen … an jenem Abend, an dem ihr Dad den Tagelöhner erschossen hatte.
Langsam ging der Sheriff zu Freida und kniete sich neben ihr hin. Sie stöhnte und bewegte sich schwach. Der Sheriff legte seine Waffe weg und griff nach dem Funkgerät.
“Schicken Sie einen Rettungswagen zum Haus von Kristy Madison”, forderte er die Zentrale auf. “Eine Person mit Schussverletzungen. Sieht ziemlich übel aus.”
Ungläubig starrte Kristy den alten Freund ihres Vaters an. Sie fürchtete, er könnte jeden Moment bemerken, dass ihre Erinnerung geweckt worden war. Dass sie diese traumatische Szene, die so viele Jahre zurücklag, klar und deutlich vor sich sah. Sie versuchte, die Ruhe zu bewahren und sich einen Plan zurechtzulegen, wie sie von hier verschwinden konnte, bevor er sie erschoss, um sie für alle Zeit zum Schweigen zu bringen.
Doch ihr fiel beim besten Willen nichts ein. Ihr einziger Gedanke drehte sich darum, dass sie nicht von ihm erschossen werden wollte.
Denn sie wollte Dylan heiraten und ihn von ganzem Herzen lieben, selbst wenn er diese Liebe nicht erwiderte. Sie wollte miterleben, wie Bonnie aufwuchs. Sie wollte auf Sundance reiten …
Oh Gott, es gab so viele Dinge, die sie tun wollte!
“Das wird schon wieder, Freida”, sagte Floyd in einem sonderbar sanften Tonfall. “Das wird schon wieder. Du darfst dich jetzt nur nicht bewegen.”
Erst jetzt wurde Kristy bewusst, dass Freida gar nicht tot war. Der Schuss hatte sie zwar schwer verletzt, aber sie lebte noch …
Floyd zog das Bettlaken heran, das Kristy hatte fallen lassen, und deckte die Frau behutsam damit zu.
Dann hob er den Kopf und sah Kristy an. An seinem Blick erkannte sie, dass er wusste, woran sie sich erinnert hatte. “Ich habe mich seit damals so oft gefragt, wann du dich wieder daran erinnern würdest”, erklärte er ruhig. “Dass ich deinem Vater geholfen habe, diesen … diesen verdammten Drecksack zu begraben …”
Kristy schluckte angestrengt und stand langsam auf, während sie weiter überlegte, ob er sie bei der ersten hastigen Bewegung vielleicht doch erschießen würde. Als sich der erste Schock zu legen begann, kam ihr der Gedanke, diese Konfrontation doch noch überleben zu können. Würde der Mann für Freida einen Rettungswagen anfordern, wenn er sie, Kristy, töten wollte?
Vielleicht ja. Er konnte Freidas Pistole benutzen, die Fingerabdrücke abwischen und sie ihr wieder in die Hand drücken. Dann musste er nur noch behaupten, dass Freida den tödlichen Schuss abgegeben hatte und er eine Sekunde zu spät gekommen war.
Falls das aber seine Absicht sein sollte, ließ er sich verdammt viel Zeit.
Lag es daran, dass Freida bei Bewusstsein war und damit als Zeugin gegen ihn aussagen konnte? Oder hatte er den Rettungswagen zu früh angefordert und konnte nun nichts mehr unternehmen, weil die Nachbarn sich die Uhrzeit merken könnten, zu der der zweite Schuss abgegeben wurde?
Kristy spürte, wie ihr das Blut aus dem Kopf wich und sie gefährlich nah an den Rand einer Ohnmacht geriet. Sie klammerte sich am Sideboard fest, und irgendwie gelang es ihr, sich auf den Beinen zu halten. Ihre Bluse war blutrot verfärbt, doch die Blutung hatte nachgelassen.
“Was ist in dieser Nacht wirklich passiert, Floyd?”, fragte sie. Ihre Stimme schien von weither zu kommen, aus ihrem tiefsten Innern, wo nur Taubheit und die Hoffnung herrschten, diesen Raum lebend verlassen zu können.
Floyd seufzte schwer, strich Freida einige Strähnen aus der Stirn und redete leise auf sie ein, sie solle durchhalten, der Rettungswagen sei unterwegs. “Dein Dad rief mich nach der Schießerei an”, erklärte der Sheriff an Kristy gewandt. “Er war in Panik. Er fürchtete, ins Gefängnis gehen zu müssen oder sogar hingerichtet zu werden. Dann wären deine Mutter und du ganz auf sich allein gestellt gewesen. Damals war es für eine
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