Montana Creeds - Soweit die Sehnsucht trägt (German Edition)
älterer Mann mit weißem Haar und sanften blauen Augen. “Wie heißt denn der Kleine?”, fragte er, als Dylan den Hund auf dem Untersuchungstisch absetzte, der auch schon bessere Zeiten gesehen hatte.
“Wenn ich das wüsste”, erwiderte Dylan. “Ich habe ihn gerade erst bekommen.”
“Er ist halb verhungert und hat vermutlich Würmer”, urteilte der Tierarzt mit einem Blick, den man nur durch langjährige Erfahrung bekam. “Woher haben Sie ihn?”
“Von Gunnar Wilkenson”, antwortete er. “Das Pferd auch.”
“Dieser alte Mistkerl”, fluchte Doc und lief vor Wut rot an. “Ich hätte Lust, Floyd anzurufen und ihm zu sagen, dass Gunnar mal wieder gegen die Auflagen verstoßen hat. Er hat ein Vorstrafenregister wegen Misshandlung und Vernachlässigung von Tieren, das bis zur Arche Noah zurückreicht.”
“Dagegen hätte ich nichts einzuwenden”, erklärte Dylan. “Aber Floyd hat im Moment schon einige andere Dinge um die Ohren.” Er ging nicht ins Detail, denn wenn auf dem alten Grundstück der Madisons tatsächlich ein Mensch begraben lag, wollte er nicht derjenige sein, der das als Erster herumerzählte.
Aber im nächsten Augenblick erkannte er, dass Doc davon bereits gehört hatte. Sein faltiges Gesicht machte kein Hehl daraus, was er von der Sache hielt.
“Das wird für Kristy kein Vergnügen werden”, meinte Doc, hielt den Hund mit einer Hand fest und holte ein Päckchen mit Einwegspritzen aus einer Schublade unter dem Tisch. “Darüber werden die Leute noch jahrelang reden.”
Schweigend sah Dylan zu, wie Doc dem Hund alle nötigen Impfungen gab. Bislang hatte er an diesem Tag ein Pferd und einen getretenen Hund erstanden, weil er vor ihren flehenden Blicken nicht die Augen verschließen konnte. Das Verlangen, Kristy zu helfen, war aber sogar noch stärker.
“Ich hätte Tim Madison nicht zugetraut, einen Menschen umzubringen”, sagte Doc.
“Vielleicht hat er es ja gar nicht getan”, gab Dylan zu bedenken. Er hatte jedoch seine Zweifel, und das merkte Doc Ryder seinem Tonfall offenbar an.
“Niemand kann vorhersagen, wie man selbst reagieren würde, wenn man jemanden dabei ertappt, der einem das Haus ausräumt”, fuhr Doc fort. Er rief seine Helferin zu sich, damit sie den Hund zum Röntgen brachte. Als er von Dylan getrennt wurde, begann er kläglich zu jaulen.
“Vermutlich nicht”, stimmte Dylan ihm zu.
Ich warte hier auf dich, bis sie fertig sind
, versprach er dem Hund mit seinem Blick.
“Wenn Sie damit anfangen, sich einen kleinen Zoo zuzulegen, dann darf ich wohl annehmen, dass Sie vorläufig in Stillwater Springs bleiben werden, oder?”, fragte Doc. Er war ein hervorragender Tierarzt und ein gutherziger Mensch, aber er liebte Klatsch und Tratsch wie ein altes Waschweib.
“Sieht so aus.” Dylan griff nach seiner Brieftasche. Er bezahlte die Behandlung und die Medikamente, außerdem kaufte er spezielles Hundefutter, das der Tierarzt ihm empfahl.
“Kristy könnte einen Freund gut gebrauchen”, meinte Doc beiläufig.
Die Helferin kam mit dem Hund zurück, der erfreut und erstaunt zugleich zu sein schien, dass Dylan tatsächlich noch da war. Dankbar leckte er ihm die Hände ab.
Dylan reagierte nicht auf die letzte Bemerkung des Tierarztes. Er wollte für Kristy mehr sein als nur ein Freund, doch sein Instinkt riet ihm, es langsam angehen zu lassen. Schließlich war sie die einzige Frau, die ihm je das Herz gebrochen hatte. Und wenn er sich zu viel erhoffte und diese Hoffnung wurde enttäuscht, dann wusste er nicht, wie er damit umgehen sollte.
“So eine hübsche Frau wie sie”, redete Doc kopfschüttelnd weiter. “Ich kann gar nicht verstehen, dass sie nicht verheiratet ist und das Haus voller Kinder hat.”
Als Dylan auch diesmal nicht darauf einging, folgte Doc ihm und dem Hund aus dem Sprechzimmer am Empfang vorbei bis nach draußen auf den Parkplatz.
“Aber vielleicht hat sie ja auch die ganze Zeit nur auf Sie gewartet”, fügte er an.
“Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben für …” – er sah den Hund prüfend an – “… Sam.” Ja, der Name passte hervorragend zu dem Tier.
Doc lachte und schüttelte den Kopf. “Typisch Creed! Da könnte ich auch versuchen, eine Wand zu einer Antwort zu bewegen.”
“Eine Familientradition, auf die wir sehr stolz sind”, gab Dylan lächelnd zurück.
Der Doc nickte und hob den großen Sack Spezialfutter auf die Ladefläche. Er war ausgesprochen stark. Kein Wunder – er hatte ja auch seit Jahren
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