Montana Creeds - Soweit die Sehnsucht trägt (German Edition)
nicht mit jemandem reden, der möglicherweise ein Mörder war. “Aber seit wann musst du die Nachtschicht übernehmen? Sorgen nicht üblicherweise deine Deputys dafür, dass zwischen Sonnenuntergang und -aufgang im Hexenkessel von Stillwater Springs Ruhe herrscht?”
Floyd lachte, klang jedoch nicht allzu fröhlich. “Einer ist im Urlaub, der andere hat sich krankgemeldet. Angeblich eine Erkältung, aber ich glaube, das Exhumieren von Leichen schlägt ihm auf den Magen. Als er die Kleine sah, ist er sofort umgekippt.”
Ein Schauer lief ihr über den Rücken, und sie zwang sich, nicht an verwesendes Fleisch und blanke Knochen zu denken, doch das erwies sich als vergebliches Unterfangen.
Sie überlegte, ob sie ihm Freidas Einbruch melden sollte. Doch da sie sie nicht anzeigen und Floyd keinen Grund liefern wollte, zu ihr ins Haus zu kommen, blieb sie bei ihrem ursprünglichen Entschluss. “Hast du die Familie des Mädchens schon benachrichtigt?”
“Ja”, antwortete der Sheriff unüberhörbar bedrückt. “Es wäre sinnlos, ihnen den Leichnam zu zeigen, aber sie haben den Ring identifiziert, den das Opfer getragen hat. Sobald der forensische Bericht vorliegt, werden die sterblichen Überreste für eine reguläre Beerdigung freigegeben. Vermutlich können die Clarkstons dann in gewisser Weise mit dem Tod ihrer Tochter abschließen. Aber es ändert nichts daran, dass sie ein Kind verloren haben.” Er seufzte schwer. “Diese verdammte Wahl kann für mich gar nicht früh genug stattfinden. Allerdings gab es mal eine Zeit, da habe ich auch schweißgebadet die Auszählung der Stimmen mitverfolgt. Damals dachte ich, ich würde vor Enttäuschung sterben, wenn ich gegen den alten Warren Holter verliere.”
Auf einmal wollte Kristy ihm die eine Frage an den Kopf werfen, die sich hartnäckig in ihrem Hinterkopf hielt.
Hast du das Mädchen umgebracht?
Sie biss sich fest auf die Unterlippe. Immerhin war es möglich, dass Floyd Book noch gar nicht klar war, was sie vermutete. Also war es ratsam, den Mund zu halten.
“Ich will dich nicht länger aufhalten”, sagte er, als ihm ihr Schweigen auffiel. “Ich wollte nur sichergehen, dass bei dir im Haus alles in Ordnung ist.”
“Danke”, entgegnete sie. Die Hand, mit der sie den Hörer hielt, war schweißnass, und ihre Finger schmerzten, weil sie ihn so fest umklammerte. “Aber hier ist wirklich alles in Ordnung.”
“Wenn die Reporter dir zu sehr zu schaffen machen, sag mir Bescheid”, schob Floyd noch nach, bevor sie sich verabschiedeten und auflegten.
Dylan hatte recht gehabt, als er sagte, ihre von Thrillern angeheizte Fantasie gehe mit ihr durch. Sheriff Floyd Book hatte Ellie Clarkston natürlich nicht umgebracht! Es war lachhaft, ihm ein so abscheuliches Verbrechen zu unterstellen, hatte er doch sein Leben lang dafür gesorgt, dass die Gesetze eingehalten wurden.
Bis auf das Geheimnis der Madison-Ranch.
Jetzt machte sich Kristy noch weniger Hoffnung auf Schlaf als zuvor, ging in ihr kleines Arbeitszimmer und fuhr den PC hoch.
Sie ging ins Internet und suchte nach Ellie Clarkston und Berichten über deren Verschwinden.
Neben den Zeitungsartikeln gab es eine überraschend große Anzahl an Treffern auf privaten Seiten, obwohl das Ganze so viele Jahre her war. Da waren Videoclips der Eltern John und Barbara, mit denen sie sich an die Öffentlichkeit gewandt hatten. Es gab auch die verrücktesten Amateurseiten, auf denen behauptet wurde, das Mädchen sei von Außerirdischen entführt worden oder einer Verschwörung der Regierung zum Opfer gefallen. Es gab auch Blogs, in denen über die Psyche von Serienkillern spekuliert wurde, von denen etliche aber für Kristys Geschmack den Tätern zu viel Bewunderung entgegenbrachten. Auf anderen Seiten konnte man sich in Gästebücher eintragen und so seine Sympathie für Ellie und andere verschwundene Mädchen so wie sie bekunden. Und erschreckenderweise auch für ihre Mörder.
Bei diesem Anblick gefror ihr das Blut in den Adern. Es machte ihr Angst, dass es da draußen Leute gab, die nichts Besseres zu tun hatten, als die Ergüsse ihrer kranken Hirne ins Web zu stellen.
Sie wandte sich vom Computer ab. Offenbar half das Surfen im Internet auch nicht gegen Schlaflosigkeit, aber sie fühlte sich immer noch zu aufgedreht, als dass sie ein Buch hätte lesen oder sich vor den Fernseher hätte setzen können. Wenn sie nicht gerade einen mitternächtlichen Ausflug zum nächsten Wal-Mart unternehmen oder dem Skivvie’s
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