Montana Creeds - Soweit die Sehnsucht trägt (German Edition)
Schloss, dann verriegelte sie sie und schob die Kette vor.
Wie aus dem Nichts tauchte Winston hinter ihr auf. “Miau”, machte er. Er wirkte in der düsteren Diele wie ein Geist, denn es fiel nur ein schwacher Lichtschein von der Straßenlampe an der Ecke ins Haus.
“Ach, sei ruhig”, erwiderte sie und zog den Gürtel ihres Morgenmantels fester.
Dylan stieg in seinen Truck, schlug die Tür zu und ließ den Motor an. Er beugte sich zur Seite, bis er sich im Innenspiegel sah. “Du Vollidiot!”, knurrte er sich an.
Nach Hause fahren wollte er nicht, weil Bonnie nicht dort war.
Und weil Kristy nicht dort war.
Sogar sein Hund und das Pferd waren bei Logan.
Das Skivvie’s konnte ihn auch nicht locken.
Kartenspielen wollte er ebenfalls nicht, da er schlecht gelaunt war. Und das wiederum war schlecht für sein Spiel. Poker erforderte eine Art Zen-Einstellung, doch die konnte er unter den gegebenen Umständen nicht erlangen, und damit war das Kasino auch keine Alternative.
Er konnte zum Teich fahren und nackt baden, aber um diese Zeit würden ihn die Moskitos bei lebendigem Leib auffressen.
Vielleicht war Tyler noch da, obwohl Logan davon überzeugt war, dass ihr kleiner Bruder das Weite gesucht hatte, nachdem er ihm ein blaues Auge geschlagen hatte.
Also machte er sich auf den Weg zur anderen Seite des Hidden Lake, wo Tylers Blockhütte stand. Sie war das kleinste der drei Gebäude auf der Stillwater Springs Ranch, aber in gewisser Weise auch das angenehmste, weil sie so abgelegen war.
Dylans Hoffnung schwand, als er um die letzte Kurve bog und sah, dass die Fenster dunkel waren und kein Wagen vor der Hütte stand. Sogar der See wirkte im Mondschein einsam und verlassen.
“Mist”, fluchte Dylan.
Er wendete, fühlte sich aber noch immer nicht bereit, heimzufahren und sich diesem alten Haus zu stellen. Wenn er dort war, fühlte er sich jedes Mal schuldig. Genau deswegen wollte er das Gebäude dem Erdboden gleichmachen und einen Neuanfang wagen.
Einen Neuanfang.
Das war genau das, was Logan erreichen wollte: den schlechten Ruf der Creeds vergessen machen und dem Namen und der Ranch einen neuen Glanz verleihen. Von so etwas hatte Dylan selbst auch schon mal geträumt.
Er würde Kristy heiraten, damit sie gemeinsam Bonnie und noch ein ganzes Rudel Kinder großziehen konnten, und wenn sie Glück hatten, erwartete sie ein wunderbares Leben wie aus einer kitschigen Familienserie aus den Fünfzigern.
Ja, ganz bestimmt.
Kristys Vater hatte einen Mann getötet und auf seiner Ranch begraben – ein düsteres Geheimnis, das ihn innerlich auffraß.
Und Jake? Er war ein Mistkerl gewesen, und daran gab es nichts zu zweifeln. Ehe er selbst ins Gras biss, hatte er drei gute Frauen unter die Erde gebracht – Logans Mutter, Dylans Mutter und schließlich auch Tylers Mutter.
“Beachtliche Leistung, alter Mann”, sagte Dylan.
Er stellte sich Brianas liebevolles, hoffnungsfrohes Gesicht vor, ihre sommersprossigen Jungs. Sie liebten Logan beide, hatten aber auch ein gutes Verhältnis zu ihrem leiblichen Vater, der inzwischen in der Stadt arbeitete.
Er dachte an Bonnie und zwangsläufig auch an Kristy.
Zu seiner Überraschung befand er sich auf einmal auf der Straße, die zum Friedhof führte. Er stieg aus, um im Lichtkegel der Scheinwerfer das Tor zum Friedhof zu öffnen, das eigentlich nur aus ein paar verwitterten Holzbohlen bestand, die mit Draht zusammengehalten wurden und die er auf den Boden legen musste.
Ein Stück konnte er danach noch weiterfahren, dann führten nur noch schmale Wege über das Gelände. Ihnen folgte er, bis er vor Jakes Grab stand. Im Mondschein, der immer wieder durch vorüberziehende Wolken unterbrochen wurde, fiel ihm auf, dass der Boden kleine Löcher aufwies und dass vom Grabstein kleine Stücke abgesplittert waren.
Dylan stutzte und kniete sich hin, um sich das Ganze genauer anzusehen.
“Einschusslöcher”, erklärte Logan, der plötzlich aus der Dunkelheit auftauchte.
“Jesus!”, rief Dylan. “Soll ich vielleicht einen Herzinfarkt bekommen?
Logan schaltete die Taschenlampe aus, die er in der Hand hielt. Hatte er versucht, sich an ihn heranzuschleichen?
“Entschuldige”, sagte Logan.
“Woher wusstest du, dass ich hier bin?”, fragte Dylan. Er ärgerte sich darüber, dabei ertappt worden zu sein, wie er mitten in der Nacht ein Grab besuchte, als würde er um denjenigen trauern, der dort beerdigt war.
“Ich sah die Scheinwerfer und dachte mir, dass du das
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