Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
wichtigste Veranstaltungen, seine Pressekonferenzen. Hinter den Stuhlreihen stand an der Wand ein großer Holztisch mit den Erfrischungen, um den sich die Gerichtsmediziner von New York scharten – alle bis auf die beiden Häuptlinge und Jack. Stimmengewirr vermischt mit gelegentlichem Lachen hallte durch den Raum.
Anders als Laurie hatte Jack überhaupt keinen Spaß an diesen Donnerstagskonferenzen. Er hatte mit einem der Gerichtsmediziner aus Brooklyn Krach wegen der Schwester eines Basketballfreundes und weigerte sich, gesellschaftlich mit diesem Mann zu verkehren. Die gleichen Gefühle hegte er für den Institutsleiter von Brooklyn, weil der meinte, seinen Untergebenen in diesem Streit unterstützen zu müssen. Auch wenn Jack behauptete, es stecke keine Absicht dahinter, kam er zu Calvins Ärger immer zu spät.
Die Tür zu Binghams Büro wurde geöffnet, und Calvin schob seinen massigen Körper durch den Rahmen. Er legte einen Ordner auf das Pult und öffnete ihn. Sein Blick, den er über den Raum gleiten ließ, heftete sich kurz an Laurie. Scheinbar prüfte er, wer anwesend war.
»Also gut!«, bellte Calvin, als ihn niemand beachtete. Das Mikrofon ließ seine Stimme wie ein Paukenschlag durch den Raum hallen.
Über seinen Ordner gebeugt, sortierte Calvin seine Blätter. Die Gerichtsmediziner unterbrachen ihre Gespräche und nahmen Platz. Calvin begann die Konferenz ganz im Stil Binghams, als dieser noch regelmäßig den Vorsitz geführt hatte. Als Erstes gab er eine Zusammenfassung der Statistik der vergangenen Woche.
Während Calvins Stimme weiterdröhnte, schweifte Laurie in Gedanken ab. Obwohl sie sonst sehr leicht in ihre professionelle Rolle schlüpfen und ihre persönlichen Probleme beiseite schieben konnte, schaffte sie es diesmal nicht. Ihre neue Sorge drängte sich immer wieder in ihr Bewusstsein und war sogar stärker als die Ängste rund um das BRCA1-Gen. Das Problem war, dass sie keine Ahnung hatte, was sie tun sollte, falls sich ihre Befürchtung bewahrheitete.
Die Tür links von Laurie wurde geöffnet, und Jack trat ein. Calvin unterbrach seinen Vortrag und warf Jack einen scharfen Blick zu. »Ich bin wirklich froh, dass Sie es geschafft haben, uns mit Ihrer Anwesenheit zu beehren, Dr. Stapleton.«
»Um nichts auf der Welt würde ich mir das hier entgehen lassen«, erwiderte Jack. Laurie zuckte zusammen. Bei ihrer Angst vor Autoritätspersonen konnte sie nicht verstehen, dass sich Jack diesen unverschämten Ton Calvin gegenüber erlaubte. Für sie war Jack masochistisch veranlagt.
Jack blickte mit einem übertrieben fragenden Blick auf Laurie hinab. Sie saß auf seinem Stammplatz, und sie hatte sich aus genau dem gleichen Grund dort hingesetzt, aus dem er sonst diesen Stuhl wählte. Er drückte ihre Schulter, bevor er sich in die Reihe direkt vor sie setzte. Doch das machte es für sie noch schwerer, sich auf Calvins Vortrag zu konzentrieren. Jacks Kopf, der ihr den Blick versperrte, erinnerte sie daran, dass sie wie auch immer mit ihm ein ernsthaftes Gespräch führen musste.
Nachdem Calvin seine Statistik vorgetragen hatte, ging er wie üblich zu den verwaltungstechnischen Fragen über, zu denen auch die Mittelkürzungen gehörten. Die Konferenz in dieser Woche bot da keine Ausnahme. Statt zuzuhören, beobachtete Laurie Jack von hinten. Obwohl er sich gerade erst hingesetzt hatte, war er schon dabei einzuschlafen, sein Kopf begann bereits zur Seite zu kippen. Laurie hatte Angst, dass Calvin einen Wutanfall bekommen würde. Wenn Autoritätspersonen wütend wurden, fühlte sie sich immer unwohl, auch wenn der Ausbruch gar nicht ihr galt.
Entweder bemerkte es Calvin nicht, oder er hatte beschlossen, seinen Vortrag zu beenden, ohne auf Jacks Respektlosigkeit einzugehen. Er gab das Wort an Dr. Jim Bennett weiter, den Leiter des Instituts in Brooklyn.
Der Reihe nach berichteten die Leiter aus ihren jeweiligen Instituten. Als sich Dick Katzenburg aus Queens hinters Mikrofon stellte, erinnerte sich Laurie an die Kokain-Geschichte, die mittlerweile zwölf Jahre zurücklag. Damals war ihr in den Sinn gekommen, die Überdosisfälle im Plenum zu besprechen, was sich dank Dick als sehr hilfreich erwiesen hatte. Warum tat sie jetzt nicht dasselbe mit den mysteriösen Todesfällen im Manhattan General? Doch sie verwarf die Idee gleich wieder. Sie war viel zu gestresst, um mit der Angst fertig zu werden, vor versammelter Mannschaft zu reden. Allerdings könnte es von Vorteil sein, dass Calvin heute
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