Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
fachmännisch auf den Tisch.
»Ich verstehe, was du meinst«, sagte Laurie nach einem kurzen Blick auf die Leiche. »Sie ist auffällig sauber.« Ganz im Gegensatz zu den zerfetzten Körpern der beiden Jungs gab es hier kein Blut zu sehen, auch nicht dort, wo Kopf und Hände so sauber abgetrennt waren, dass die Schnittstellen wie Illustrationen für ein Anatomiebuch aussahen. Sal schob die Rolltrage hinaus in den Flur, während Marvin das Röntgenbild aufhängte.
Die beiden Geschosse hoben sich auf dem schwarzgrauen Hintergrund wie weiße Flecken ab. Eins war normal, das andere abgeplattet und ausgefranst. Laurie deutete auf das verunstaltete Geschoss in der Mitte des Oberkörpers. »Ich vermute, dass das hier die Wirbelsäule getroffen hat«, sagte sie und zeigte anschließend auf einen defekten Wirbel. »Ich würde sagen, es ist schließlich in der Leber stecken geblieben. Die andere befindet sich im Mittelfell in der Mitte des Brustkorbs, und ich wäre nicht überrascht, wenn sie den Aortenbogen durchbohrt hat. Das war der tödliche Schuss.«
»Sieht nach einer Neunmillimeter aus«, stellte Lou fest.
»Wir werden sehen«, meinte Laurie.
Sie ging zur Leiche zurück und begann mit der äußeren Untersuchung. Sie stand rechts am Tisch, Marvin links, als sie ihn bat, die Leiche mit dem Gesicht in seine Richtung zu drehen. Sie wollte sich die Schusswunden anschauen und sie fotografieren. Doch plötzlich entdeckte sie im Kreuz der Leiche die Tätowierung eines kleinen Oktopus.
Laurie taumelte, sog hörbar die Luft ein und musste sich am Tisch festhalten, um nicht umzukippen. Ihre Augen hielt sie starr auf die Tätowierung gerichtet.
»Dr. Montgomery, ist alles in Ordnung?«, fragte Marvin. Laurie rührte sich nicht. Obwohl sie getaumelt war, wirkte sie jetzt wie erstarrt.
»Laurie, was ist los?«, erkundigte sich Lou. Er beugte sich vor und versuchte, ihr Gesicht durch die Maske hindurch zu erkennen.
Laurie schüttelte den Kopf, als wollte sie sich selbst aus ihrer Trance holen, und trat einen Schritt zurück. »Ich brauche eine Pause«, meinte sie mit hoher, atemloser Stimme. »Diese Obduktion muss warten.« Sie drehte sich auf dem Absatz um und eilte zur Tür.
Marvin und Lou blickten ihr hinterher. Lou rief ihren Namen, doch sie gab keine Antwort. »Was ist bloß los?«, fragte Lou, als sich die Tür hinter Laurie schloss.
»Keine Ahnung«, antwortete Marvin. Er drehte die Leiche wieder auf den Rücken und ließ ein kurzes, freudloses Lachen hören. »Das ist ja noch nie passiert. Vielleicht ist ihr schlecht.«
»Ich schaue besser mal nach«, meinte Lou.
Lou war überrascht, dass er Laurie nicht im Flur antraf. Von dort, wo er stand, konnte er bis zum Sicherheitsbüro blicken. Auch dort schien niemand zu sein. Verwirrt ging er die Reihe mit den Kühlfächern entlang, in denen vor der Obduktion die Leichen gelagert wurden. Links am Ende befand sich ein großer, begehbarer Kühlraum, von wo aus er ins Lager blicken konnte, in dem die Mondanzüge hingen. Dort bemerkte er, wie Laurie gerade ihren Anzug auszog, und ging zu ihr hin.
»Was ist los?«, fragte Lou. »Alles in Ordnung mit dir? Wirst du den Fall nicht weitermachen?«
Mit tränennassen Augen drehte sich Laurie zu Lou.
»Hey«, meinte Lou. »Was ist denn?« Er zog den Kittel aus und nahm sie in seine Arme. Sie wehrte sich nicht.
Nach mehreren Minuten lehnte sich Lou zurück, um Lauries Gesicht zu sehen, hielt sie aber immer noch fest. Sie schob die Arme nach oben, wischte die Tränen fort und trocknete die Hände an ihrem Oberteil ab.
»Magst du jetzt reden?«, fragte Lou sanft.
Laurie nickte, machte aber keine Anstalten, sich aus Lous Umarmung zu lösen. Sie atmete tief durch, wollte anfangen zu reden, stotterte aber und wischte sich wieder über die Augen.
»Lass dir Zeit«, beruhigte Lou sie.
»Ich weiß, wer diese Leiche ohne Kopf ist«, begann Laurie stockend. »Es ist Roger Rousseau, mein Freund aus dem Manhattan General.«
»Gütiger Himmel!«, stöhnte Lou. Er war voller Mitleid für Laurie, aber auch ärgerlich. »Jetzt siehst du, warum ich gesagt habe, dass Amateurschnüffler gefährlich leben.«
»Auf deine Standpauke kann ich verzichten«, beschwerte sich Laurie und befreite sich aus seinen Armen.
»Ja, ich weiß, tut mir Leid. Aber das ist eine Katastrophe.«
»Ach, was du nicht sagst«, schnauzte sie. »Dieser Tote war ein wichtiger Mensch in meinem Leben, und ich habe ihn zu dem angestiftet, was er getan hat. O Gott, wie
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