Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
öffnete sie die Augenlider, um die Augen zu untersuchen. Sie schienen normal zu sein, es waren keine Blutgerinnsel auf der Lederhaut zu sehen. Im Mund schaute sie nach, ob der Trachealtubus auch wirklich in der Luft- und nicht in der Speiseröhre steckte. So etwas samt den katastrophalen Folgen hatte Laurie bereits ein paar Mal zu sehen bekommen.
Nachdem die Vorbereitungen abgeschlossen waren, stellte sich Marvin erwartungsvoll auf die andere Seite des Tisches. Jetzt würde der innere Teil der Obduktion beginnen.
»Also gut! Auf geht’s!« Laurie streckte die Hand aus, in die Marvin ein Skalpell legte.
Obwohl Laurie schon Tausende von Leichen geöffnet hatte, spürte sie jedes Mal dieses Kribbeln. Für sie war der Beginn der eigentlichen Obduktion, als schlüge sie ein heiliges Buch auf, um die darin enthaltenen Geheimnisse zu entdecken. Mit dem Zeigefinger drückte sie oben aufs Skalpell und legte den üblichen Y-förmigen Schnitt an. Sie begann bei den Schultern, führte die beiden ersten Schnitte in der Mitte des Brustbeins zusammen und zog ihn weiter bis zum Schambein. Mit Marvins Hilfe hob sie das Haut- und Muskelgewebe rasch zur Seite, bevor sie das Brustbein mit der Knochensäge entfernte.
»Sieht wie eine gebrochene Rippe aus«, stellte Marvin fest und deutete auf einen Schaden auf der rechten Seite des Brustkorbs.
»Keine Blutungen, also ist das erst nach dem Tod passiert, wahrscheinlich während der Wiederbelebungsversuche. Einige Kollegen legen sich bei der äußeren Herzmassage richtig ins Zeug.«
»Autsch!«, stöhnte Marvin mitfühlend.
Da Laurie von einer Embolie ausging, hätte sie gern gleich die großen, zum Herz führenden Venen, das Herz selbst und die Lungenarterien untersucht, wo sich normalerweise tödliche Klumpen finden ließen. Doch sie widerstand der Versuchung. Sie wusste, dass es besser war, dem normalen Ablauf zu folgen, um nichts auszulassen. Vorsichtig untersuchte sie alle inneren Organe, bis sie schließlich mit den Spritzen, die Marvin bereitgelegt hatte, die Flüssigkeitsproben für die toxikologische Untersuchung entnahm. Es musste die tödliche Reaktion auf ein Medikament, ein Gift oder auch den Wirkstoff eines Narkotikums berücksichtigt werden. Zwischen Narkose und Eintritt des Todes waren in jedem Fall weniger als vierundzwanzig Stunden vergangen.
Laurie und Marvin arbeiteten, ohne zu reden, und füllten jede Probe in den entsprechend beschrifteten Behälter. Anschließend entnahm Laurie die inneren Organe. Gewissenhaft hielt sie auch hier die vorschriftsmäßige Reihenfolge ein, sodass sie sich erst etwas später dem Herzen widmen konnte.
»Da ist ja das gute Stück!«, witzelte Marvin.
Laurie lächelte. Das Herz war tatsächlich die Stelle, an der sie den pathologischen Befund erhoffte. Mit ein paar geschickten Schnitten hatte sie es herausgelöst und spähte in das abgeschnittene Ende der Hohlvene, wo sich aber kein Klumpen befand. Sie war enttäuscht, da sie bereits beim Herausnehmen der Lunge festgestellt hatte, dass die Lungenarterien frei waren.
Laurie wog das Herz und begann, es mit einem langen Messer von innen zu untersuchen. Aber so ärgerlich es für sie auch war, auch hier fand sie keine Klumpen. Es war alles in Ordnung, und selbst die Koronararterien schienen völlig normal zu sein.
Laurie und Marvin blickten einander über die geöffnete Leiche hinweg an.
»Verdammt!«, stöhnte Marvin.
»Ich bin überrascht.« Laurie holte tief Luft. »Also, Sie kümmern sich um den Bauch, und ich werde mich hinters Mikroskop klemmen, dann untersuchen wir das Gehirn.«
»Wird gemacht«, sagte Marvin und nahm den Magen und die Gedärme zum Becken, um sie auszuwaschen.
Laurie entnahm mehrere Gewebeproben für die mikroskopische Untersuchung, vor allem vom Herz und von den Lungenflügeln.
Marvin reichte Laurie den gereinigten Darm. Auch diesen untersuchte sie sorgfältig und entnahm immer wieder Proben. In der Zwischenzeit machte sich Marvin an den Kopf und löste die Kopfhaut ab. Als Laurie mit dem Magen und den Gedärmen fertig war, hatte Marvin schon alles vorbereitet, damit sie den Schädel äußerlich untersuchen konnte. Mit dem Daumen bedeutete sie Marvin, dass sie fertig war und er mit der Elektrosäge den Knochen oberhalb der Ohren durchtrennen konnte.
Währenddessen öffnete Laurie mit einer Schere die genähte Öffnung an der Wade. Die Operationsstelle schien in Ordnung zu sein. Anschließend öffnete sie die langen Venen an den Beinen und verfolgte
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