Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
sich, vor Anstrengung keuchend, mit ihrem Handtuch das Gesicht ab.
»Hallo, Jazz!«, sagte Chet fröhlich und im Vertrauen darauf, dass sie neugierig sein würde, woher er ihren Namen wusste.
Als einzige Reaktion senkte Jazz das Handtuch und durchbohrte Chet mit dem Blick ihrer dunkelbraunen, tief sitzenden Augen. Aus der Nähe betrachtet, sah sie gar nicht aus wie ein Kobold. Das Gesicht unter dem dichten, dunklen, nass geschwitzten Haar hatte etwas Exotisches, und das, was Chet für Sonnenbräune gehalten hatte, war eine natürliche Farbe, die ihre Zähne im Kontrast besonders weiß aussehen ließ. Ihre Augen waren leicht mandelförmig, und sie hatte eine ganz leichte Hakennase. All das konnte Chet akzeptieren, nicht jedoch die leicht hohlen Wangen und den Gesichtsausdruck. Diese Wangen gaben ihr etwas Gemeines, und ihr stechender, einschüchternder Blick ähnelte dem auf den Bildern von Marinesoldaten.
Ermutigend fand Chet das überhaupt nicht, schon gar nicht, als sie kein Wort sagte.
»Ich dachte, ich sollte mich vielleicht mal vorstellen«, fuhr Chet fort und versuchte, weiterhin lässig zu bleiben, was schwierig war, wenn man so angestarrt wurde. Auch die Hanteln waren lästig, weil sie seine Schultern nach unten zogen. Er hatte zwei schwere genommen in der Hoffnung, diese muskulöse Frau zu beeindrucken. Unter ihrem elastischen Anzug zeichneten sich nicht nur die Brustwarzen, sondern auch ihr Waschbrettbauch ab.
Jazz zeigte immer noch keine Reaktion. Sie blinzelte nicht einmal.
»Ich bin Dr. Chet McGovern«, versuchte er es weiter. Wenn er sich an Frauen ranmachte, nannte er als Trumpfkarte immer seinen Doktortitel, auch wenn er nur unter Druck verriet, womit genau er sein Geld verdiente. Aus seiner Erfahrung bei Rendezvous wusste er, dass ein Gerichtsmediziner nicht dasselbe Ansehen genoss wie ein Krankenhausarzt.
Die Situation wurde kritisch. Jazz hatte nicht nur nichts über seinen Doktortitel gesagt, ihr Ausdruck hatte von unterkühlt zu verächtlich gewechselt. Chet wollte mit den Schultern zucken, was aber mit den Hanteln schwierig war. Er war verzweifelt. »Ich dachte, wenn du nicht allzu beschäftigt bist, könnten wir an der Bar was trinken oder so, wenn du mit deinem Training fertig bist«, schlug er vor. Dumm nur, dass seine Stimme viel höher gerutscht war als normal.
»Tu mir einen Gefallen, du Idiot«, meinte sie in gehässigem Ton. »Verpiss dich.«
»So ein Arschloch!«, dachte Jazz, als sie beobachtete, wie Chets Gesichtszüge zusammenfielen, nachdem sie ihn mit ihrer bissigen Bemerkung abserviert hatte. Wie ein Hund mit eingezogenem Schwanz hatte er sich davongeschlichen. Sie hatte ihn schon am Freitag und jetzt wieder an diesem Abend im Body-Sculpting-Kurs gesehen. Beide Male hatte er sich eingebildet, besonders schlau zu sein, und sie immer heimlich von der Seite her angeschielt. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, war er ihr heute auch noch in den Gewichtsraum gefolgt und total auf die Nerven gegangen. Ständig hatte er sie im Spiegel oder aus dem Augenwinkel heraus beobachtet. Nur mit Hanteln hatte er trainiert, weil ihm das einen Grund gab, sich in ihrer Nähe aufzuhalten. Der Kerl war ja pervers. Und ein Volltrottel. Sie konnte kaum glauben, dass sich jemand auf derart lächerliche Weise herausputzte und diese schicken Sportklamotten mit den Namen der Designer trug. Polo! Gütiger Himmel! Wie geschmacklos!
Jazz stand auf und ging zur Schrägbank, um ein paar Sit-ups zu machen. Sie wusste nicht, wohin Chet gegangen war, aber sie war froh, dass er sie nicht mehr so lüstern anschaute. Sie konnte diese Typen, die an Eliteuniversitäten studiert hatten, nicht ausstehen, und Chet war bestimmt einer von ihnen. Die erkannte sie schon von weitem. Sie prahlten mit ihren Abschlüssen und wussten einen Scheißdreck. Schon die Tatsache, dass Chet sich auch nur eine Minute lang eingebildet hatte, dass sie mit ihm an der Bar etwas trinken wollen könnte, war eine Beleidigung. Nach einem weiteren Blick auf die Uhr, um sicherzugehen, dass die Zeit noch reichte, machte sie im Rhythmus ihres Atems ihre hundert Sit-ups. Das einzige Problem mit diesen Fitnessstudios war – zumindest redete sie sich das ein, ohne sich allerdings zu fragen, warum sie so gern diesen provokativen Gymnastikanzug trug –, dass sie täglich mit Männern wie diesem Chet zu tun hatte. Die meisten sagten, sie wollten sie zu einem Getränk einladen, aber eigentlich wollten sie doch etwas anderes. Sie wollten
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