Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
Sie hatte nicht speziell auf sein Bein gezielt, aber er hatte die Botschaft trotzdem verstanden. Das war allerdings auch das Ende ihrer militärischen Laufbahn gewesen, was ihr aber ohnehin schon egal war. Sie hatte die Nase voll.
Der Wechsel vom Militär aufs College war, als wäre sie vom Regen in die Traufe gekommen. Doch Jazz hatte durchgehalten. Sie hatte gedacht, eine Ausbildung als Krankenschwester wäre ideal, weil die immer gebraucht wurden und immer das Sagen hatten. Doch was die Vorgesetzten anging, entsprach die Wirklichkeit leider ihren alten Erfahrungen beim Militär, sodass sie gezwungen war, immer wieder die Stelle zu wechseln in der vergeblichen Hoffnung, dass es in einem anderen Krankenhaus besser sein würde. Doch das war es nie. Jetzt war auch das egal.
Als der Fahrstuhl beim oberen Parkdeck stehen blieb, stieg Jazz aus, drückte die Glastür auf und ging hinüber zu ihrem zweitliebsten Besitz, einem funkelnagelneuen, glänzenden, onyxschwarzen H2 Hummer. Ehrfurchtsvoll strich sie mit dem Finger über die Seite und betrachtete sich im Vorbeigehen im Fenster. Außer der Windschutzscheibe waren alle Fenster so stark gefärbt, dass sie wie schwarze Spiegel aussahen. Bevor sie die Tür öffnete, trat sie zurück und betrachtete genießerisch ihren eckigen, gedrungenen, fast bedrohlich wirkenden Wagen, der aussah wie eine Kampfmaschine, die auf ihren Einsatz auf den Straßen New Yorks wartete, Jazz stieg ein, warf die Sporttasche auf den Beifahrersitz, nahm ihr Blackberry-Handy aus der Manteltasche und legte es in ihren Schoß. Sie startete den Wagen. Das tiefe Brummen aus den Auspuffrohren erhöhte den Charme des Wagens noch. Sie musste lächeln – immer, wenn sie einstieg, bekam sie eine Gänsehaut. Das war ein Gefühl wie bei Koks, nur besser. Es erinnerte sie auch daran, wie einträglich der Tag gewesen war, an dem Mr Bob plötzlich auftauchte. Ganz schön dumm, dass sie noch immer nicht seinen vollständigen Namen wusste. Er hatte gemeint, er halte ihn aus Sicherheitsgründen geheim, was sie damals angezweifelt hatte, aber jetzt war es ihr egal. Bei diesem ersten Treffen hatte sie ihn aus dem Augenwinkel heraus gesehen und gedacht, dass er sie auch nur anmachen wollte. Aber es war ganz anders gekommen. Er hatte sie einfach mit »Doc JR« angesprochen, dem Spitznamen, den ihr die Wichsköpfe in ihrem ersten Bataillon gegeben hatten. Sie hatte den Namen schon mehrere Jahre nicht gehört und war überrascht gewesen. Sie hatte vermutet, dass Mr Bob ebenfalls bei den Marines gewesen war. Er hatte vor dem Krankenhaus in New Jersey auf sie gewartet, wo sie in der Spätschicht von fünfzehn bis dreiundzwanzig Uhr gearbeitet hatte, und gemeint, er habe ein Angebot für sie, wenn sie daran interessiert sei, etwas dazuzuverdienen – na ja, nicht nur etwas, sondern ganz schön viel.
Jazz hatte gespürt, dass ihre Glückssträhne endlich begonnen hatte, und war in seinen H2 Hummer eingestiegen, der genauso ausgesehen hatte wie ihrer jetzt. Mit einem schnellen Blick ins Wageninnere hatte sie sich vergewissert, dass sonst niemand anderes drinsaß. Außerdem hatte sie die Hand in ihre Manteltasche gesteckt und den Griff ihrer Glock umfasst. Damals hatte die Waffe noch keinen Schalldämpfer gehabt, sodass sie sie problemlos hätte ziehen können. Im Falle eines Falles hätte sie Mr Bob einfach die Eier weggeschossen, wie sie es auch mit dem Marine Officer vorgehabt hatte. Von Drohungen hielt sie nichts. Die Waffe zu ziehen, hieß, sie auch zu benutzen.
Doch sie hatte sich keine Sorgen machen müssen. Mr Bob hatte sich ganz aufs Geschäftliche konzentriert. Sie waren in eine kleine, verrauchte Bar im Zentrum von Newark gegangen, wo Mr Bob sie wegen ihrer Erlebnisse beim Militär bemitleidet und sich sogar wegen ihrer Behandlung und ungerechtfertigten Entlassung entschuldigt hatte. Er hatte gemeint, genau wegen ihrer beispielhaften Einsatzbereitschaft habe man sie für einen wichtigen Auftrag ausgewählt und werde sie entsprechend dafür bezahlen. Sie hatte erfahren, dass man – Jazz würde noch herausfinden müssen, wer mit »man« gemeint war – ihre einzigartigen Qualifikationen anerkannte, die für diese Aufgabe notwendig seien. Dann hatte er gefragt, ob sie Interesse habe.
Jazz lachte, als sie jetzt den Rückwärtsgang einlegte und losfuhr. Wie verrückt Mr Bob damals doch gewesen war, sie zu fragen, ob sie Interesse habe, ohne ihr genau zu erzählen, um was es eigentlich ging. Das hatte sie ihm auch
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