Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
Aufträgen, die sie dank des strengen Verfahrensablaufs problemlos erledigt hatte, war Mr Bob mit dem schwarzen Hummer aufgetaucht.
»Ein Zeichen unserer Wertschätzung«, hatte er erklärt und ihr die Schlüssel und Fahrzeugpapiere überreicht. »Nehmen Sie ihn als unsere Antwort auf den pinkfarbenen Cadillac, den diese Kosmetikfirma verschenkt. Genießen Sie ihn in vollen Zügen!«
Jazz fuhr vom Parkhaus des Fitnessstudios auf die Columbus Avenue. An der ersten roten Ampel schaltete sie ihr Blackberry ein. Aus Erfahrung wusste sie, dass der Empfang in der Garage sehr schlecht war. Aber da war sie – eine neue Nachricht von Mr Bob. Voller Aufregung öffnete sie die Mitteilung. Sie enthielt wieder einen Namen!
»Ja!«, rief Jazz und stieß in Siegermanier die Faust in die Luft. Doch dieser Ausbruch dauerte nicht lange, und wie sie es in ihrer Militärausbildung gelernt hatte, ermahnte sie sich, ganz ruhig zu bleiben. Dass ihr schon wieder ein Name geschickt wurde, nachdem sie den letzten erst am Abend zuvor erhalten hatte, hieß, dass eine neue Serie begonnen hatte. Sie erhielt die Namen zwar in unregelmäßigen Abständen, aber wenn sie welche erhielt, dann immer geballt. Warum das so war, wusste sie nicht.
Jazz streckte den Arm aus und legte das Blackberry aufs Armaturenbrett oberhalb des Handschuhfachs. Dadurch abgelenkt, reagierte sie nicht sofort, als die Ampel auf Grün schaltete. Das Taxi rechts von ihr fuhr ruckartig an, weil es sich auf Jazz’ Spur vordrängeln wollte, um einem anderen, auf seiner eigenen Spur stehenden Taxi auszuweichen. Jazz drückte aufs Gaspedal und jagte ihren Achtzylindermotor auf volle Touren hoch. Sie schoss nach vorn und hatte das Taxi in null Komma nichts eingeholt, sodass der Fahrer kräftig auf die Bremse treten musste. Jazz hob den Mittelfinger.
Nach ein paar weiteren Gefechten mit Taxis entlang der Central Park South fuhr sie auf die East Side und von dort nach Norden auf die Madison Avenue zum Manhattan General Hospital. Um Viertel nach zehn hatte sie das riesige Parkhaus erreicht. Ein weiterer Vorteil der Nachtschicht war die große Zahl freier Parkplätze gleich am Eingang zum Krankenhaus auf Höhe des ersten Stocks. Jazz schnappte sich ihr Blackberry, steckte es in ihre linke Manteltasche, überquerte die Fußgängerbrücke und betrat das Krankenhaus.
Wie geplant, war sie etwas früh dran. Sie ging direkt in den fünften Stock, wo sie arbeitete. Hier, in der Allgemeinchirurgie, ging es immer geschäftig zu. Nachdem sie ihren Mantel sicher verstaut hatte, setzte sie sich an einen der Computer und tippte beiläufig »Darlene Morgan« ein. Die Stationsschwester von der Abendschicht packte ein paar Sachen zusammen, um Feierabend machen zu können, und achtete nicht auf sie.
Jazz registrierte erfreut, dass Darlene Morgan in Jazz’ Abteilung auf Zimmer 629 lag, was die Aufgabe wesentlich leichter machte. Sie konnte zwar in ihren Pausen und während der Essenszeit jederzeit auf andere Stockwerke gehen, aber es bestand immer die leise Gefahr, Aufmerksamkeit zu erregen.
Sie nahm den Fahrstuhl nach unten ins Erdgeschoss, wo sie in die Notaufnahme ging. Wie üblich, herrschte hier das reine Chaos, zudem war abends immer mehr los als tagsüber. Im Wartebereich drängelten sich Menschen und schreiende Babys, die wegen aller möglichen Krankheiten und Verletzungen hier waren. Auf dieses Chaos vertraute Jazz. Niemand wunderte sich, wenn sie ins Lager ging, wo die Infusionsflaschen aufbewahrt wurden. Obwohl sie nicht erwartete, gestört zu werden, selbst wenn jemand sie sah, blickte sie sich um. Es war ein Reflex. Doch niemand achtete auf sie, als sie aus einem Karton eine Ampulle mit konzentriertem Kaliumchlorid herausnahm und in ihre Kitteltasche gleiten ließ. Wie Mr Bob gesagt hatte, würde in diesem Trubel auf der Notaufnahme niemand eine Ampulle vermissen.
Der erste Teil des Auftrags war erledigt. Jazz ging wieder nach oben, um auf den Übergabebericht und den Beginn ihrer Schicht zu warten. Eher aus Neugier als aus einem anderen Grund zog sie Darlene Morgans Krankenakte heraus, um zu sehen, ob sich darin etwas Interessantes oder Erklärendes fand. Aber für ihren Auftrag war das natürlich egal.
»Mami, ich will, dass du heute Abend nach Hause kommst«, winselte Stephen.
Darlene Morgan tätschelte den Kopf ihres achtjährigen Sohnes und wechselte einen besorgten Blick mit ihrem Mann Paul. Stephen war groß für sein Alter und benahm sich manchmal richtig erwachsen.
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