Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
könnte.
»Hey, Kopf hoch! Sie muss noch da sein. Sonst könnte sie doch keinen Ärger machen.«
Angelo verzog kaum eine Miene, und doch wusste Franco ganz genau, dass seine Stimmung sich mit einem Mal erheblich gebessert hatte.
Kapitel 17
4. April 2007, 4.15 Uhr
Angela konnte nicht einschlafen. Sie hatte es mit Lesen probiert, hatte aber nach etlichen Stunden aufgegeben und es mit Fernsehen versucht, was sie normalerweise keine zehn Minuten durchhielt. Aber in dieser Nacht hatte es auch nicht mehr Wirkung als das Buch. Während sie mühsam versuchte, den Gesprächen der Late-Night-Talk-Show zu folgen, wälzte sie in Gedanken immer wieder ihre größten Sorgen hin und her: Den Kapitalmangel, Paul Yangs offensichtliches Besäufnis mit einem fertig ausgefüllten Acht-K im Laptop, das nur einen einzigen Mausklick vom Posteingangsfach der Börsenaufsicht entfernt war, sowie Laurie Montgomerys Möglichkeiten, das MRSA-Problem in eine PR-Katastrophe zu verwandeln, indem entweder Ärzte und Patienten vom Besuch der Angels-Kliniken abgeschreckt wurden oder die Börsenaufsicht auf ein wirklich schwerwiegendes Problem aufmerksam gemacht wurde, was erhebliche finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen würde.
Schließlich gab Angela nach und nahm eine Ambien. Sie wusste, dass sie in den vergangenen Monaten viel zu oft Zuflucht zu Schlafmitteln genommen hatte, aber sie hatte das Gefühl, als mache sich das bezahlt. Sie war die Einzige bei Angels Healthcare, der es in der momentanen Notlage noch zuzutrauen war, den Börsengang durchzuziehen. Aber um dazu in der Lage zu sein, brauchte sie ihren Grips und auf jeden Fall ausreichend Schlaf. Wie schon in der jüngeren Vergangenheit, so wirkte die winzige, weiße, ovale Tablette Wunder, und sie fiel in einen zwar medikamentös hervorgerufenen, aber tiefen Schlaf mit verstörenden Träumen. Im schlimmsten Traum ging es darum, dass sie am oberen Ende einer grauenhaft hohen und senkrecht abfallenden Klippe einen schmalen Felsvorsprung entlanggehen musste. Sie wusste zwar nicht genau, wieso, aber sie musste unbedingt auf die andere Seite der Klippe gelangen, um eine Katastrophe zu verhindern. Der Felsvorsprung wurde jedoch unterwegs immer schmaler und schmaler, und als sie das Ziel schon vor Augen hatte, rutschte sie ab. Zwar schaffte sie es gerade noch, sich mit den Händen an der Kante festzuhalten, hatte jedoch nicht mehr die Kraft, sich nach oben zu ziehen. Irgendwann gaben ihre Finger und Arme nach, und sie stürzte in den Abgrund.
Mit wild klopfendem Herzen wachte Angela auf, erleichtert, dass sie noch am Leben war. Sie konnte sich zwar erklären, wo die Ursache für diesen Traum lag, fragte sich aber, wo wohl das Bild mit der Klippe hergekommen war.
Sie hatte nicht die geringste Lust, jetzt den kalten Marmorfußboden ihres Badezimmers an den Füßen zu spüren, aber sie hatte keine andere Wahl, und so schob sie sich vorsichtig unter ihrer Decke hervor. Sie wollte es möglichst schnell hinter sich bringen und so wenig wie möglich dabei denken, denn sie befürchtete, dass sie womöglich nicht wieder einschlafen konnte. Mehr als vier Stunden hatte sie bis jetzt wohl kaum geschlafen.
Doch leider wurden Angelas Ängste Realität. Sie fühlte sich zwar immer noch sehr müde und richtiggehend betäubt, doch es gelang ihr nicht, ihren Geist zu beruhigen, der all ihre Befehle ignorierte und schnell angefangen hatte, wieder auf Hochtouren zu arbeiten. Ein anstrengender Tag lag vor ihr. Als Erstes wollte sie sich versichern, dass Michaels Fünfzigtausend auf dem Firmenkonto eingegangen waren. Als Nächstes wollte sie sich bei Bob erkundigen, ob Paul wieder aufgetaucht war und, was noch wichtiger war, ob er das Acht-K eingereicht hatte oder nicht.
Um 4.30 Uhr erkannte Angela, dass erneutes Einschlafen, so nötig es auch gewesen wäre, nicht mehr zur Debatte stand. Widerwillig stand sie auf und blieb auf dem Weg zur Küche vor der Tür ihrer Tochter stehen. Sie überlegte kurz, ob sie sie vielleicht wecken sollte, und machte dann die Tür auf. Im Dämmerschein des Nachtlichts im Flur konnte sie Michelles vertraute Umrisse und die dunklen, vollen Haare erkennen, die ihr engelsgleiches Gesicht umrahmten. Im Halbdunkel schien es fast so, als ob ihre makellose Haut auf geradezu überirdische Weise von innen heraus leuchtete.
Einen Augenblick lang blieb Angela einfach stehen und betrachtete ihre Tochter, wie nur Eltern es können. Sie wurde von einer Woge der Liebe übermannt, die
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