Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
Blick über das Durcheinander aus Fallakten und Krankenhausunterlagen gleiten. Mitten darin und direkt vor ihrer Nase lag die MRSA-Tabelle. Sie nahm sie in die Hand und stellte fest, dass sie noch sehr unvollständig war. Als ihr Blick wieder zu dem Aktenstapel zurückwanderte, spürte sie ihre Begeisterung und ihren Optimismus schwinden. Die Übertragung der einzelnen Informationen in die Tabelle dauerte viel länger, als sie gedacht hatte, und doch hatte sie das Gefühl, als sei sie ihre einzige Hoffnung, wenn sie verstehen wollte, was in den Angels-Healthcare-Kliniken vor sich ging.
Sie wollte gerade anfangen, da fiel ihr ein, dass ihr immer noch Patientenakten fehlten – nicht nur die von Ramona Torres, sondern auch etliche andere. Sie rief im Büro der kriminaltechnischen Assistenten an. Bart Arnold, der Abteilungsleiter, meldete sich, und sie verlangte nach Cheryl.
»Was kann ich für Sie tun?«, ließ Cheryl sich kurze Zeit später vernehmen.
»Ich habe Janice heute Morgen gesagt, dass ich die Patientenakte von Ramona Torres brauche.«
»Sie hat mir Bescheid gesagt und ich habe in der Klinik angerufen. Dort hat man mir versprochen, dass sie zusammen mit den anderen abgeschickt wird. Eigentlich müssten sie schon längst in Ihrem E-Mail-Postfach angekommen sein.«
»Moment mal«, sagte Laurie. Sie öffnete ihr E-Mail-Programm und stellte fest, dass die fehlenden Patientenakten bereits auf sie warteten, genau wie Cheryl gesagt hatte.
»Entschuldigung«, meinte Laurie. »Sie haben recht. Sind alle da.«
Laurie legte auf, schickte einen umfangreichen Druckbefehl ab und machte sich auf den Weg nach unten ins Erdgeschoss, um ihre Ausdrucke abzuholen.
Adam hatte einen angenehmen Vormittag verbracht. Nach einer zweiten Tasse Kaffee im Hotel hatte er das Metropolitan Museum besucht. Als einer der ersten Besucher des Tages war er durch den imposanten Haupteingang geschritten und hatte das Gefühl gehabt, als hätte er das ganze Museum für sich allein. Er versuchte gar nicht erst, möglichst viel zu sehen, sondern konzentrierte sich auf die Stücke, die ihm in seiner Jugend viel bedeutet hatten, darunter mit roten Figuren bemalte Vasen aus Athen, etliche klassische griechische Statuen sowie die Werke der alten Meister.
Gegen Mittag hatte Adam beschlossen, noch einmal kurz vor dem OCME Posten zu beziehen, und hatte an derselben Stelle geparkt wie am Morgen. Zwar hatte er sich schon am Morgen darauf eingerichtet, dass er die Zielperson um die Mittagszeit wohl kaum zu Gesicht bekommen würde, aber trotzdem war er vorbereitet. Auf dem Beifahrersitz lag ein kegelförmig zusammengerolltes und mit durchsichtigem Klebeband in Form gehaltenes Handtuch aus dem Pierre. Im Inneren des Kegels steckte eine seiner Lieblingswaffen: eine Neun-Millimeter-Beretta mit einem siebeneinhalb Zentimeter langen Schalldämpfer. Die Spitze des Dämpfers war durch das spitze Ende des Kegels gerade noch zu erkennen. Wenn er seine Hand von der anderen Seite her in den Kegel steckte, dann lag der Kolben der Automatikpistole in seiner Hand. So konnte er die Waffe in der Öffentlichkeit mit sich herumtragen, ohne gleich eine Panik auszulösen, was ohne diese Tarnung unvermeidlich gewesen wäre. Natürlich war es auch mit Handtuch unerlässlich, die Waffe so lange wie irgend möglich unter dem Mantel zu verstecken, damit sie nur wenige Sekunden lang überhaupt zu sehen war.
Adam – die Rückenlehne schräg gestellt, die Ellbogen auf die Armlehnen gestützt und die Finger vor dem Bauch gefaltet – hatte es sich so richtig gemütlich gemacht. Aus dem CD-Spieler drang in mäßiger Lautstärke Chopin, interpretiert von Arthur Rubinstein, und auch der leichte Nieselregen draußen trug dazu bei, dass Adam eine gewisse gespannte Zufriedenheit empfand.
Im Gegensatz zum Morgen ging es nun an der Ecke First Avenue und 30 th Street relativ ruhig zu, einmal abgesehen von dem unablässig gen Norden dröhnenden Verkehrsstrom, bestehend aus Omnibussen, Mülltransportern, Lieferwagen, Taxis und PKWs. Die Demonstranten waren ebenso verschwunden wie die Polizei, und es waren nur wenige Fußgänger unterwegs. Kaum jemand betrat oder verließ das Gerichtsmedizinische Institut mit seiner seltsamen Architektur.
Adam, der sowohl durch den beeindruckend effektiven Schallschutz seines Wagens als auch durch die Stereoanlage vom Rauschen des Verkehrs nichts mitbekam, spielte in aller Ruhe eine Reihe von Szenarien durch, für den Fall, dass Laurie Montgomery sich
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