Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
erleichtern.
Auch im Inneren der Klinik zwang Laurie sich zu einem halbwegs normalen Gang. Sie wusste noch genau, wie sie am Dienstag hier behandelt worden war, und wollte keinerlei unnötige Aufmerksamkeit erregen, zumal am Rand des Foyers ein uniformierter Wachmann stand. Sie ging zu den Fahrstühlen und drückte die Ruftaste. Mit einem Blick auf die Stockwerksanzeige stellte sie fest, dass einer sich gerade dem Erdgeschoss näherte.
Aus dem Augenwinkel musste Laurie zu ihrem großen Bedauern erkennen, dass der Wachmann sich von der Wand, an der er gelehnt hatte, abstieß und auf sie zukam. Verlegen blicke sie in die andere Richtung. Sie spürte jedoch, dass er sich schräg hinter sie gestellt hatte.
Die Fahrstuhltüren öffneten sich. Erleichtert stieg Laurie ein und drückte dabei auf die Taste für den dritten Stock. Einen kurzen Augenblick lang hielt sie den Blick ins Innere des Fahrstuhls gerichtet, weil sie fürchtete, dass der Wachmann sie jeden Augenblick ansprechen würde, doch das war nicht der Fall. Als sie sich dann jedoch umdrehte und den Blick zur Tür wandte, stieg er ebenfalls ein. Dabei kreuzten sich ihre Blicke. Die Fahrstuhltüren schlossen sich, ohne dass noch jemand die Kabine betreten hätte.
Laurie hob schnell den Blick, schaute auf die Stockwerksanzeige über der Tür und hielt den Atem an. Sie rechnete jeden Augenblick damit, angesprochen zu werden, doch dann setzte der Fahrstuhl sich in Bewegung, nur um sofort wieder langsamer zu werden.
Überrascht und erleichtert zugleich stellte sie fest, dass der Wachmann im ersten Stock ausstieg. Er musste wohl auf die Taste gedrückt haben, als Laurie die Stockwerksanzeige angestarrt hatte. Als die Türen erneut zugeglitten waren, stieß Laurie einen Seufzer der Erleichterung aus.
Dann fuhr der Fahrstuhl in den dritten Stock hinauf. Laurie stieg aus und rannte den keimfrei weißen Korridor entlang. Vor der Tür zur Haustechnik angekommen, zögerte sie kurz und hoffte inständig, dass sie unrecht hatte und dass ihre Befürchtungen und Ängste ein Produkt ihrer übermäßigen Einbildungskraft waren. Ihre Armbanduhr zeigte zwanzig vor neun. Es war also genau der richtige Zeitpunkt.
Laurie legte die Hand an den Türknauf und musste ein wenig drücken, bevor sie den sehr gut isolierten, hohen Maschinensaal betreten konnte. Sofort umfing sie das kehlige, tiefe Brummen der Klimaanlage.
Die schwere Tür schloss sich mit einem lauten, mechanischen Schnappen und erregte die Aufmerksamkeit einer Gestalt in kompletter Operationskleidung – Mundschutz, Schutzhaube und OP-Mantel –, die hinter einem Gewirr aus Rohrleitungen auftauchte. In der einen Hand hielt sie einen Schraubenschlüssel, der wohl kaum zur Standardausrüstung eines Chirurgen zählte, und in der anderen einen mit einem Gummipfropfen verschlossenen Erlenmeyerkolben.
Es dauerte nur eine Sekunde, dann hatte Laurie begriffen, dass ihre schlimmsten Befürchtungen Wirklichkeit geworden waren. »Nein!«, schrie sie, so laut sie konnte, und rannte auf den Mann zu. Dieser machte ein paar Schritte zurück, als ob er die Flucht antreten wollte, doch dann überlegte er es sich anders und blieb stehen. Laurie prallte mit voller Wucht gegen ihn und riss ihm die Maske vom Gesicht. Sie erkannte ihn auf den ersten Blick. Es war Walter Osgood, der Leiter der klinischen Pathologie bei Angels Healthcare.
Der unerwartete Zusammenprall ließ Walter rückwärtstaumeln. Verzweifelt versuchte er sich irgendwo festzuhalten, wobei sowohl der Schraubenschlüssel als auch der Erlenmeyerkolben zu Boden fielen. Der Schraubenschlüssel überstand den klirrenden Aufprall unbeschadet, doch der Glaskolben zerbrach in unzählige Splitter. Das darin enthaltene weiße Pulver verteilte sich in alle Richtungen auf dem Fußboden.
Kreischend wie eine Furie stürzte sich Laurie auf Walter, der sich mit erhobenen Armen vor ihren Schlägen zu schützen versuchte. Einmal gelang es ihr sogar, seine Deckung zu durchbrechen und einen harten Schlag auf seinem Gesicht zu landen. Dadurch wurde er aus seiner Passivität gerissen. Vom Zorn angestachelt, ballte er eine Hand zur Faust und erwischte Laurie mit einem weiten Schwinger an der Schläfe. Laurie sackte zu Boden. Sie schüttelte sich und wollte gerade aufstehen, da wurde ihr der Kopf schmerzhaft beiseitegerissen. Walter hatte sie an den Haaren gepackt und schleifte sie über den Fußboden. Da er doppelt so groß und doppelt so schwer war wie sie, fiel es Laurie nicht leicht, sich
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