Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
nannte hastig ihren Namen und stellte ihm dann ohne weitere Erklärung ihre Frage.
»Das ist richtig«, sagte Dr. Havermeyer. »Die Patienten atmen nach der Narkose keine Raumluft mehr, so lange, bis sie ins Aufwachzimmer kommen, und selbst da werden sie oft genug noch über raumluftunabhängige Leitungssysteme versorgt.«
»Danke«, sagte Laurie.
»Gern geschehen. Ich freue mich, dass ich Ihnen weiterhelfen konnte.«
Laurie wollte gerade auflegen, als Dr. Havermeyer sich nach dem Anlass ihrer Frage erkundigte.
In hastigen Worten skizzierte Laurie ihre Befürchtung – dass nämlich Bakterien über die Klimaanlage in den Körper von Patienten gelangten und dort eine postoperative, nosokomiale Pneumonie auslösten.
»Gehen Sie dabei denn von einem längeren Zeitraum aus oder sprechen Sie nur von drei, vier Atemzügen über eine Zeitspanne von fünfzehn, zwanzig Sekunden hinweg?«
Laurie hatte plötzlich eine sehr trockene Kehle und spürte intuitiv, dass sie gleich etwas zu hören bekommen würde, was sie lieber gar nicht hören wollte.
»Weil, wenn das Letztere der Fall wäre, dann wäre es durchaus denkbar«, sagte Dr. Havermeyer. »Wenn der Operateur signalisiert, dass es Zeit wird, den Patienten aufzuwecken oder zumindest die Narkose zu beenden, dann spült der Anästhesist das ganze System mit reinem Sauerstoff durch. Das verkürzt die Wartezeit zwischen zwei Operationen. Während dieser Spülung kann es sein, dass der Patient zwei, drei, vier Atemzüge Raumluft bekommt. Es wäre also schon denkbar.«
Laurie bedankte sich und legte auf.
Schlagartig vereinigten sich all ihre Ängste zu einem großen Berg. MRSA konnte auf dem Luftweg verbreitet werden, wenn die Erreger in Acanthamoeba-Zysten verkapselt waren, und Patienten, die eine Vollnarkose bekamen, atmeten tatsächlich OP-Luft ein, wenn auch nur für wenige Sekunden. Laurie schnappte sich den Zettel, auf dem sie die Wochentage ihrer MRSA-Fälle notiert hatte. So viel sie wusste, waren die Fälle aus der Orthopädie immer montags und donnerstags aufgetreten, damit lag sie bedauerlicherweise genau richtig. Genauso bedauerlich war die Tatsache, dass heute Donnerstag war und außerdem der Tag, an dem Jack operiert werden sollte.
Mit stetig wachsender Verzweiflung griff Laurie nach einer der Patientenakten auf ihrem Schreibtisch. Fieberhaft suchte sie nach dem Blatt, auf dem der Anästhesist notiert hatte, wann genau die Narkose eingeleitet worden war. Diesen Punkt hatte sie nicht in ihre Tabelle aufgenommen. Zu ihrem großen Schrecken stand da 7.35 Uhr. Sie warf die Akte buchstäblich beiseite und griff nach der nächsten: 7.31 Uhr. Mit einem unterdrückten Fluch zog sie noch eine Akte hervor: 7.34 Uhr.
»Verdammt!«, schrie Laurie. In der vierten Patientenakte stand 7.30 Uhr.
Diese vier von fünfundzwanzig Fällen reichten ihr, um das Schlimmste für Jack zu befürchten, und so rannte sie zum Fahrstuhl und hämmerte auf die Taste, als könnte sie dadurch seine Ankunft beschleunigen. Sie wartete und sah auf ihre Armbanduhr. Es war kurz nach acht. Die Operation sollte etwas über eine Stunde dauern. Wenn sie gleich ein Taxi bekam, dann konnte sie es vielleicht noch schaffen. Zum Glück waren auf der First Avenue mit all den Krankenhäusern und anderen Dienstleistungseinrichtungen morgens viele Taxis verfügbar. Laurie hatte beschlossen, so schnell wie möglich die Technikräume über dem OP-Trakt des Angels Orthopedic Hospital aufzusuchen, um vollkommen sicherzugehen, dass sich niemand außer ihr dort aufhielt.
So niedergeschlagen Angelo sich gestern Abend auch gefühlt haben mochte, jetzt ging es ihm noch schlechter. Sie waren seit 6.15 Uhr hier und warteten jetzt schon fast zwei Stunden lang, ohne das geringste Anzeichen von Laurie Montgomery entdeckt zu haben. Da sie und ihr Freund gestern Morgen von der 30 th Street her gekommen waren, hatte er den Lieferwagen so geparkt, dass er so weit wie möglich die Straße entlangsehen konnte. Jedes Mal, wenn sich ein Taxi näherte, schlug sein Herz voller Erwartung schneller, nur um wieder und wieder eine Enttäuschung zu erleben.
»Ich glaube, sie kommt heute gar nicht zur Arbeit«, knurrte Angelo.
»Sieht irgendwie danach aus«, meinte Franco und leckte sich den Finger ab, bevor er seine Zeitung umblätterte.
»Als ob dich das auch nur einen Scheiß interessiert!«
Franco ließ die Zeitung sinken und starrte wütend zu Angelo hinüber, der den Blick wieder auf die 30 th Street gerichtet hatte. Er
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