Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
über ihren körperlichen Zustand. Schon nach fünf Minuten war sie außer Atem. Nach zehn Minuten schwitzte sie so sehr, dass sie sich vorkam wie ein Glas Eistee in den Tropen. Allein ihrer unbändigen Willenskraft war es zu verdanken, dass sie die zwanzig Minuten, die sie sich vorgenommen hatte, durchhielt.
Sie stieg vom Sattel, stemmte die Hände in die Hüften und blieb stehen, während ihr Brustkorb sich hob und senkte und sie versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Das nahm ihre gesamte Konzentration in Anspruch. Außerdem war sie klitschnass. Das Stirnband, das früher eigentlich mehr ein modisches Accessoire als eine Notwendigkeit gewesen war, war schweißgetränkt. Mit ihrem geröteten Gesicht, den am Körper klebenden Trainingsklamotten und ihren nach allen Seiten abstehenden Haaren sah sie wahrscheinlich aus wie ein Wrack. Aber das eigentlich Beschämende war, dass die Leute auf den Ergometern neben ihr so offensichtlich locker weiterstrampelten. Von denen schien niemand zu schwitzen, viele konnten sogar lesen, während ihre Beine in die Pedale traten. Angela wusste, dass sie während des Trainings auf gar keinen Fall in der Lage wäre, irgendetwas zu lesen, schon gar nicht gegen Ende.
Sie griff nach ihrem Handtuch und trocknete sich das Gesicht ab. Ihre mangelhafte Ausdauer und ihr verlottertes Äußeres verunsicherten sie, und sie warf, während sie sich auf den Weg in den Kraftraum machte, einen schnellen Blick auf die Gesichter der anderen Radler. Glücklicherweise schenkte ihr niemand Beachtung, bis es zu einem kurzen Augenkontakt mit einem blonden Mann kam, der wie wild in die Pedale trat, aber noch keinen einzigen Schweißtropfen vergossen hatte. Die Tatsache, dass er blitzschnell den Blick von ihr abwandte, bestätigte Angelas Befürchtungen hinsichtlich ihrer äußeren Erscheinung. Doch als sie hinter ihm vorbeiging, musste sie über sich selbst lächeln. Es war ihr wirklich vollkommen egal, was dieser Fremde dachte.
Ohne festen Plan ließ sie sich durch den Kraftraum treiben und setzte sich mal an dieses, mal an jenes Gerät. Dabei achtete sie darauf, nicht zu viel Gewicht aufzulegen oder zu viele Wiederholungen zu machen. Eine Muskelzerrung oder ein verstauchtes Gelenk konnte sie im Augenblick wirklich als Allerletztes gebrauchen. Trotz der relativ fortgeschrittenen Stunde war immer noch eine ganze Menge los. Sie beobachtete ein paar Männer, die die Frauen im Raum genau taxierten und das zu verbergen suchten. Es erinnerte sie daran, wie oberflächlich manche Männer sein konnten.
Sie nahm sich ein paar sehr leichte Gewichte, stellte sich vor einen Spiegel und begann mit einer Übung, die die Oberkörpermuskulatur eher dehnte als wirklich forderte. Dabei betrachtete sie sich mit kritischem Blick und versuchte möglichst objektiv zu sein. Sie hatte nach wie vor eine gute Figur, die sich seit Mitte zwanzig nicht grundlegend verändert hatte. Da sie es seit der Gründung von Angels Healthcare nur noch selten ins Fitnesszentrum schaffte, war das mit Sicherheit nicht ihren eigenen Bemühungen zu verdanken, sondern eher ihren Genen. Ihr Bauch war trotz der Schwangerschaft flach geblieben. Ihre Beine waren wohlproportioniert und ihr Hintern fester, als sie es verdient hatte. Alles in allem war sie also ganz zufrieden mit sich, von den Haaren einmal abgesehen.
Die MRSA-Katastrophe, die Angels Healthcare zurzeit fest im Griff hatte, war gerade einen Monat alt gewesen, als sie die erste graue Strähne entdeckt hatte. Ihre Mutter war auch schon früh grau geworden, also hätte Angela sich darüber nicht weiter zu wundern brauchen, aber es hatte sie so sehr beschäftigt, dass sie sich in der örtlichen Drogerie eine Farbspülung besorgt und bereits mehrfach angewandt hatte. Die grauen Haare waren zwar verschwunden, aber sie hatte den Eindruck, als hätte gleichzeitig auch der natürliche Glanz ihrer Haare nachgelassen. Als sie jetzt in den Spiegel im Kraftraum des Fitnessclubs starrte, konnte es keinen Zweifel mehr daran geben.
Angela schnitt ihrem Spiegelbild schnell noch eine übertrieben schreckliche Grimasse, um sich selbst damit ein bisschen auf den Arm zu nehmen. Letztendlich war sie kein eitler Mensch. Sie war in erster Linie daran interessiert, etwas zu erreichen, und nicht, gut auszusehen.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte da eine Stimme.
Angela drehte sich um und blickte in das Gesicht des blonden Mannes, mit dem sie bei den Ergometern einen kurzen Blick gewechselt hatte. Er war Mitte
Weitere Kostenlose Bücher