Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
Obszönitäten hatten zu ihrer Phase der Rebellion im College gehört, aber die hatte sie hinter sich, hauptsächlich deshalb, weil Michael so nervtötend exzessiv davon Gebrauch gemacht hatte.
Bei über fünfhundert Investoren aus der Ärzteschaft konnte Angela sich unmöglich alle Namen merken. Diese Tatsache und die Notwendigkeit, ihre Ärzte zur Steigerung ihrer Operationszahlen zu ermutigen, sorgten dafür, dass Angela ihren Groll hinunterschluckte und den Anruf entgegennahm. Sie ging davon aus, dass es irgendwie um den MRSA-Todesfall von gestern ging, und stellte sich innerlich darauf ein, deutlich zu machen, dass alles getan würde, um solche Infektionen in Zukunft zu verhindern.
»Zunächst einmal möchte ich wissen, ob die Blumen angekommen sind«, sagte der Anrufer.
Angelas Blick wandte sich den Rosen und deren Geheimnis zu. Mit einem Mal dämmerte es ihr. Sie sprach gerade mit dem Chet McGovern, mit dem sie gestern Abend im Club ein Gläschen getrunken und den sie »ausgenutzt« hatte, um einen klaren Kopf zu bekommen und vielleicht auch, um ihr vorübergehendes Bedürfnis nach sozialem Kontakt, vor allem mit Angehörigen des anderen Geschlechts, zu befriedigen.
»Die Blumen sind angekommen«, sagte Angela. »Danke. Ich habe wirklich nicht damit gerechnet. Ich hoffe, das heißt, dass Sie mir verziehen haben.«
»Das versteht sich doch von selbst«, entgegnete Chet. »Und damit wären wir auch schon beim Grund meines Anrufs. Ich habe ein bisschen nachgedacht und in meinem Nachttischchen zweihunderttausend Dollar gefunden, die ich nicht brauche. Daher dachte ich, die könnte ich in Angels Healthcare investieren.«
Es entstand eine kleine Pause. »Ehrlich?«, fragte Angela, deren Geist zwischen Wunsch und Wirklichkeit hin und her gerissen war.
Chet lachte. »Hey! Das war ein Witz. Ich wünschte, ich hätte wirklich zweihundert Riesen übrig, aber das ist leider nicht der Fall!«
»Oh«, sagte Angela. Sie lachte nicht.
»Ich habe das dunkle Gefühl, dass Sie das nicht besonders witzig finden.«
»Was ist der eigentliche Grund für Ihren Anruf?«, fragte Angela. In ihrer Stimme lag ein neuer Ton.
»Ich habe mit einigen meiner Kollegen gesprochen, unter anderem mit einer äußerst scharfsinnigen Frau. Ich habe ihnen von unserer gestrigen Begegnung erzählt und dass Sie meine Einladung zum Essen abgelehnt haben. Meine Kollegin meint nun, ich sollte Sie noch einmal fragen, und zwar direkt, auch wenn ich dadurch mein zerbrechliches Ego aufs Spiel setze.«
Angela musste unwillkürlich lächeln. »Dann geben Sie also zu, dass Sie ein zerbrechliches Ego haben?«
»Absolut. Manchmal dauert es Tage, bis ich mich von einer Zurückweisung erholt habe. Und genau deshalb möchte ich Sie noch einmal für heute Abend zum Essen einladen, nur um einer heraufziehenden Depression entgegenzuwirken.«
Angela konnte nicht anders, sie musste lachen. »Sie sind aber wirklich hartnäckig.«
»Ich weiß nicht, ob man das so sagen kann. Eigentlich ist es nicht meine Art, einfach so anzurufen und um die nächste Tracht Prügel zu betteln.«
»Nun ja, Ihre Ehrlichkeit und Ihr Humor haben mich neugierig gemacht, auch wenn der Spruch mit den Zweihunderttausend kein bisschen witzig war. Da hatte ich eher das Gefühl, Sie wollen sich über mich lustig machen.«
»Auf gar keinen Fall«, erwiderte Chet.
»Dass wir dringend und kurzfristig eine Finanzspritze brauchen, war kein Scherz, und das ist auch der ehrliche Grund dafür, dass ich Ihre liebeswürdige Einladung nicht annehmen kann. Ich stecke wirklich bis über beide Ohren in geschäftlichen Dingen. Selbst, wenn ich Zeit hätte, wäre ich keine wirklich angenehme Begleitung.«
»Tja, jetzt bin ich zwar enttäuscht, aber dank Ihrer diplomatischen Fähigkeiten ist mein Ego immer noch intakt. Ich schlage Folgendes vor: Falls Sie das Geld plötzlich doch noch auftreiben können oder falls Sie deprimiert sind, weil Sie es nicht geschafft haben, dann rufen Sie mich an. Ich stehe Ihnen jederzeit unverzüglich zur Verfügung.«
Nach dem Ende des Telefonats ließ Angela ihren Stuhl herumschwingen und blickte die verstopfte Fifth Avenue entlang. Von zwei verschiedenen, allem Anschein nach charmanten, aber höchst unterschiedlichen Männern – der eine offensichtlich sehr nach außen gewandt, der andere scheinbar eher zurückgezogen – zum Essen eingeladen zu werden, das war schon sehr ungewöhnlich. Und beunruhigend insofern, als sie dadurch erneut ihre Lebensentscheidungen und
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