Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
ob Sie vielleicht einmal Lust hätten, nach der Arbeit mit mir etwas trinken zu gehen. Wir könnten uns im Museum of Modern Art treffen. Dort gefällt es mir besonders gut.«
»Geschäftlich oder privat?«, fragte Angela überrascht zurück.
»Rein privat«, antwortete Roger.
Diese unerwartete Anfrage brachte Angela vollkommen aus dem Konzept. Abgesehen von den kurzen und eher untypischen Gedanken über ihr mangelhaftes Sozialleben vom gestrigen Abend hatte Angela viel zu viel zu tun, um an so etwas überhaupt zu denken.
»Das ist wirklich sehr schmeichelhaft«, sagte sie schließlich mit der wohlwollenden Seite ihrer Persönlichkeit, um anschließend mit ihrer stärkeren, lebenserfahreneren, zynischen Seite hinzuzufügen: »Aber was würde Ihre Frau dazu sagen?«
»Ich bin nicht verheiratet.«
»Ach?«, erwiderte Angela und hatte irgendwie ein schlechtes Gewissen. Das Bild mit dem Foto seiner Tochter auf seinem Schreibtisch tauchte vor ihrem geistigen Auge auf.
»Meine Exfrau war der Meinung, dass ein langweiliger Banker als Ehemann und ein anspruchsvolles Kind eine zu große Belastung darstellen, und hat sich mit der Hälfte meines Vermögens zu grüneren Weiden aufgemacht. Ich bin jetzt seit fünf Jahren geschieden und habe das alleinige Sorgerecht.«
Angela konnte Rogers Situation sofort nachempfinden und fühlte sich wegen ihres reflexartigen Zynismus hinsichtlich seiner Motive noch schuldiger als zuvor. Die Geschichte seiner Ehe schien eine verblüffende Ähnlichkeit mit der ihren zu haben, einmal abgesehen von der Sache mit dem Sorgerecht. Vom alleinigen Sorgerecht konnte Angela nur träumen.
»Tut mir leid, dass ich so schnippisch reagiert habe«, sagte Angela. »Ich habe gedacht, Sie seien wieder mal so ein Mann in der Midlife-Krise.«
»Das verstehe ich. Sie werden bestimmt öfter angesprochen.«
»Das kann man eigentlich nicht sagen, aber ich habe gelernt, misstrauisch zu sein.«
»Also, darf ich mich auf ein Treffen an einem Ihrer freien Abende freuen? Heute Abend würde es auch gehen, wann immer Sie wollen.«
»Nach meinem Besuch heute Morgen in Ihrem Büro ist Ihnen sicherlich klar, dass jetzt gerade kein günstiger Zeitpunkt ist, deshalb muss ich, so fürchte ich, ablehnen. Aber ich freue mich, dass Sie an mich gedacht haben. Vielleicht nach dem Börsengang. Falls Sie dann immer noch Lust dazu haben, dann würde ich liebend gerne mit Ihnen etwas trinken gehen, und das gerne auch im Museum of Modern Art. In den letzten Jahren bin ich nicht so viel herumgekommen. Ich fürchte, ich gehöre in die traurige und beschränkte Kategorie der ständig unter Strom stehenden, Scheuklappen tragenden Workaholics, die dem allmächtigen Dollar hinterherjagen und von ihm gejagt werden.«
»Das glaube ich kaum«, sagte Roger. »Als alleinerziehende Mutter einer präpubertären Tochter besteht diesbezüglich wenig Gefahr. Aber wir bleiben in Verbindung – und viel Glück mit Angels Healthcare.«
»Danke. Ein bisschen Glück könnte jetzt wirklich nicht schaden.«
Angela legte auf. Sie hatte die Enttäuschung in Rogers Stimme wahrgenommen, was ihr einerseits schmeichelte und sie andererseits traurig machte, besonders, als sie ihre Selbstbeschreibung gehört hatte. Einen kurzen Augenblick lang verspürte sie eine große Traurigkeit und fragte sich, wie aus dem Menschen, der sie am Anfang ihres Medizinstudiums gewesen war, ihr jetziges Ich hatte werden können, das den aufopferungsvollen Altruismus gegen das ähnlich aufopferungsvolle, aber weit weniger edle Unternehmertum eingetauscht hatte.
Angelas flüchtige Träumereien wurden durch das hartnäckige Klingeln ihres Telefons jäh unterbrochen. Sein dissonanter Klingelton holte sie mit brutaler Härte zurück in die Realität und zu den Dingen, die angesichts der Notlage ihrer Firma notwendig waren. Mit mehr als nur einem Hauch des Bedauerns griff sie nach dem Hörer. Loren sagte, ein gewisser Dr. Chet McGovern wolle sie sprechen.
»Worum geht es denn?«, wollte Angela wissen, während sie versuchte, eine Verbindung zwischen dem Herrn Doktor und einer der drei Angels-Kliniken herzustellen.
»Das wollte er mir nicht sagen«, erwiderte Loren.
Eine Sekunde lang liebäugelte Angela mit der Vorstellung, Loren zu bitten, den Mann noch einmal zu fragen, was er wollte, und ihm, falls er das nicht sagen wollte, einfach mitzuteilen, er könne sie … Doch dann hatte sie sich wieder gefangen und weigerte sich standhaft, diesen Gedanken zu Ende zu denken.
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