Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
als erledigt betrachtet hatte. Michael machte gerne mit Vinnie Geschäfte, aber er wollte lieber nicht wissen, woher das Geld stammte oder wie Vinnies Operationen im Einzelnen abliefen. Seine Fantasie reichte ihm vollkommen aus, und genau deshalb war er so nervös angesichts dieser Zwickmühle, in der er sich jetzt befand.
»Das Entscheidende ist doch, Mikey, dass ich ohne jeden Zweifel meinen Beitrag geleistet habe«, fuhr Vinnie fort, »und ich möchte, dass du deinen leistest. Falls Angels Healthcare noch mehr Geld für den Börsengang benötigt, dann musst du das beschaffen.«
»Aber …«, fing Michael an.
»Kein Aber, Mikey«, unterbrach ihn Vinnie ruhig. »Wir kennen einander schon lange, aber hier geht es ums Geschäft. Ich will, dass dieser Börsengang stattfindet. Du bist ein guter Verkäufer und hast meine Erwartungen gesteigert. Falls der Börsengang also nicht so abläuft, wie du es gesagt hast, dann gebe ich dir die Schuld daran und kündige dir die Freundschaft. Von dem Augenblick an wirst du ausschließlich mit Franco zu tun haben.«
Michael versuchte zu schlucken, aber es ging nicht. Seine Kehle war wie ausgedörrt. Er griff nach seinem unberührten Weinglas und nahm einen tiefen Schluck.
Detective Lieutenant Lou Soldano schaute auf die Armbanduhr. Es war fast schon halb zwei, jetzt wusste er auch, wieso sein Magen knurrte. Nachdem er heute Morgen irgendwann nach acht die Gerichtsmedizin verlassen hatte, war er in seine Wohnung in der Prince Street in SoHo gefahren und auf dem Sofa eingeschlafen. Er war so erschöpft gewesen, dass er es nicht einmal mehr bis ins Schlafzimmer geschafft hatte.
Gegen Mittag war er aufgewacht, hatte sich rasiert und geduscht und nebenbei eine Tasse Kaffee getrunken. Dann hatte er im OCME angerufen, um zu erfahren, was Jack bei den beiden Obduktionen herausgefunden hatte, die er nicht mehr mitbekommen hatte. Jack war immer noch unten im Schacht und nicht erreichbar, also ließ sich Lou mit dem Kontaktbeamten des New York Police Department, Sergeant Murphy, verbinden. Seine größte Sorge galt der nicht identifizierten Wasserleiche, die allem Anschein nach einem Attentat in der Unterwelt zum Opfer gefallen war. Er wollte wissen, ob Murphy unter den Vermisstenanzeigen bereits einen Hinweis auf deren Identität gefunden hatte. Bis jetzt hatte niemand einen Amerikaner asiatischer Abstammung als vermisst gemeldet, wodurch Lous Neugier noch gesteigert wurde. Der Fall wurde aus Lous Perspektive so oder so immer interessanter, schließlich hoffte er, weitere Wasserleichen verhindern zu können. Neben der Art und Weise, wie der Mann erschossen worden war, war es vor allem die Tatsache, dass er weit draußen im Hafen ins Wasser geworfen worden war, die Lous Überzeugung, dass es sich um einen Mord im Umfeld des organisierten Verbrechens handelte, noch verstärkte. Im Frühling, Sommer und Herbst wurden solche Leichen immer in den Wäldern weiter oben im Norden vergraben. Aber im Winter, wenn der Boden hart gefroren war, wurden sie in den Fluss beziehungsweise, wenn die Täter über die entsprechenden Mittel verfügten, im Hafen oder sogar noch weiter draußen, jenseits der Verrazano Bridge, ins Wasser geworfen.
Mit knurrendem Magen machte Lou sich auf die Suche nach einer Imbissbude. Er saß in seinem alten Dienstwagen, einem Chevy Caprice, an dem er mit sentimentalen Gefühlen hing. Da er geschieden war und die beiden Kinder aufs College gingen, war der Wagen seine einzige Verbindung zu seinem früheren Leben.
»Mein Gott! Johnny’s Sub! Den gibt es immer noch!«, sagte er laut, nachdem sein Blick auf den kleinen Laden zu seiner Linken gefallen war. Er schaltete den Blinker ein und bremste, um von einem Wagen fünfzehn Zentimeter hinter seiner Heckstoßstange angehupt zu werden. Lou kurbelte das Fenster herunter und signalisierte dem wütenden Fahrer, er solle ihn überholen, während er sich nach Kräften bemühte, nicht die Beherrschung zu verlieren. Irgendwann kapierte der andere und fuhr, immer noch hupend, an Lou vorbei. Als er auf gleicher Höhe war, zeigte er Lou den ausgestreckten Mittelfinger.
»Manche Dinge ändern sich nie«, murmelte Lou philosophisch vor sich hin. Er befand sich im Wohnviertel Corona im Bezirk Queens, das ihm bestens bekannt war, nicht nur, weil er im unmittelbar angrenzenden Viertel Rego Park groß geworden war, sondern auch, weil er nach seiner Berufung in das Dezernat für organisierte Kriminalität des New York Police Department im
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