Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
Anschluss an drei Jahre Streifendienst viel Zeit in Queens zugebracht hatte – zum einen eben, weil er sich hier gut auskannte, und zum anderen, weil das organisierte Verbrechen hier stark vertreten war. Während seiner sechsjährigen Zugehörigkeit zur Abteilung war er erst Sergeant und dann Lieutenant geworden und hatte sich schließlich ins Morddezernat versetzen lassen.
Lou fuhr auf den Parkplatz der Sandwichbude. Das Lokal selbst war nichts weiter als ein Imbissstand inmitten einer Schotterfläche. Die Kunden mussten ihren Wagen abstellen, an den Schalter kommen und ihre Bestellung aufgeben. Eine Weile später wurde eine Nummer angezeigt, und man musste noch einmal zum Schalter kommen und das dreißig Zentimeter lange Sandwich dann im Auto sitzend verspeisen. Lou konnte sich noch erinnern, wie er zu Highschoolzeiten mit seiner ersten Schrottkiste hier Stammgast war.
Fünfzehn Minuten später war Lou wunschlos glücklich. Er verwöhnte seinen Gaumen mit Johnny’s Meatball Extravaganza, seinem Lieblingssandwich von damals, und schwelgte dabei in Erinnerungen. Ihm wurde warm ums Herz, als er daran dachte, wie er während seines letzten Jahres auf der Highschool spät in der Nacht mit Gina Pantanella zu Johnny’s gefahren war. Er hatte ganz hinten geparkt, und dann hatten sie es miteinander getrieben.
Der andere Grund für Lous große Zufriedenheit war die Tatsache, dass das Johnny’s direkt gegenüber des Neapolitan lag. Aus seiner Zeit bei der organisierten Kriminalität wusste er, dass das Restaurant Vinnie Dominick, dem Statthalter der Lucia-Eamilie in Queens, de facto als Büro diente. Er wusste, dass das labile Gleichgewicht zwischen den traditionellen Verbrecherbanden hier im Gebiet – nämlich den Lucias und den Vaccarros – im Augenblick gefährdet war, hauptsächlich durch neue asiatische Organisationen in Flushing und Woodside. Lou wollte in Erfahrung bringen, ob die Wasserleiche vielleicht damit im Zusammenhang stand, zu diesem Zweck wollte er sich auf Vinnie Dominick konzentrieren, weil Vinnies Pendant aus der Vaccarro-Familie, Paulie Cerino, derzeit im Knast saß. Allerdings würde Lou nicht etwa Vinnie ansprechen, sondern einen seiner Handlanger, Freddie Capuso. Als Lou noch bei der organisierten Kriminalität arbeitete, hatte er Freddie als Informanten angeheuert, deshalb hatte er immer noch etwas gegen das Bürschchen in der Hand. Er war nämlich zufälligerweise dahintergekommen, dass der Junge sich auf ein gefährliches Spiel als Doppelagent eingelassen hatte. Obwohl er in erster Linie für Vinnie arbeitete, gab er Informationen an Paulie weiter, die manchmal stimmten, manchmal aber auch nicht. Damals hatte Lou sich gefragt, wie das Bürschchen überhaupt noch schlafen konnte, denn wenn ihm irgendjemand auf die Schliche gekommen wäre, wäre er einfach vom Erdboden verschwunden und vermutlich als Fischfutter draußen vor der Verrazano Bridge gelandet.
Lou hatte keine Ahnung, ob Freddie überhaupt noch für Vinnie arbeitete und ob er noch am Leben war, aber das wollte er herausfinden. Seiner Schätzung nach war Vinnie ganz in der Nähe, denn vor dem Restaurant parkte in zweiter Reihe ein schwarzer Cadillac. Allerdings ein Oldtimer, und Lou glaubte eigentlich nicht, dass das Vinnies Stil entsprach.
Schlagartig hörte Lou auf zu kauen. Eine einzelne Gestalt kam aus dem Restaurant. Eine Sekunde lang glaubte Lou, anhand der Frisur und der Kleidung Vinnie erkannt zu haben. Das verwirrte ihn, denn Vinnie würde niemals alleine ins Freie kommen. Doch dann, als der Mann quer über die Straße auf Lou zugerannt kam, erkannte er, dass es gar nicht Vinnie war. Es war jemand, den Lou nicht kannte und der sich verdächtig benahm. Er machte einen nervösen oder verängstigten Eindruck, fummelte mit seiner Fernbedienung für seine Autotür herum und blickte immer wieder zu beiden Seiten die Straße entlang und zurück zum Restaurant. Einen Augenblick später saß er im Wagen, fuhr los, wendete verbotenerweise mitten auf der Straße und jagte dann mit quietschenden Reifen in Richtung Manhattan davon. Lou versuchte das Kennzeichen zu erkennen, aber er war zu langsam. Mehr als »5V« und die Tatsache, dass das Kennzeichen aus New York stammte, konnte er nicht erkennen.
Lou blickte wieder zum Restaurant zurück und rechnete fast damit, dass gleich einer von Vinnies Männern die Verfolgung aufnahm. Aber nichts geschah. Alles blieb ruhig. Lou ließ sich in seinen Sitz zurücksinken und biss noch einmal von
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