Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
großartig gemacht.«
»Findest du wirklich?«
»Aber ja. Zuerst einmal hast du Kritik und Beifall, Drohungen und Lob genau im richtigen Verhältnis ausgeteilt und sie damit aus dem Gleichgewicht gebracht. Und dass du ihren Chef anrufen willst, das hat ihr eindeutig einen Schlag versetzt. Ich glaube nicht, dass sie uns noch einmal besuchen kommt, sei es nun unangekündigt oder nicht. Zumal du ihr zum Abschluss deutlich gemacht hast, dass eine ganze Anzahl von Leuten, die alle eine sehr viel gründlichere epidemiologische Ausbildung haben als sie, sich mit der Lösung dieses Problems beschäftigen. Ich bin mir sicher, dass sie jetzt das Gefühl hat, ihre Pflicht erfüllt zu haben.«
»Ich hoffe, dass du recht hast«, erwiderte Angela, ohne selbst hundertprozentig überzeugt zu sein.
»Da bin ich mir sicher. Ich war beeindruckt. Einfach großartig, wie du sie gezwungen hast, nach deiner Pfeife zu tanzen.«
Angela zuckte mit den Schultern. Da war sie sich nicht so sicher. Ihr Gefühl sagte ihr das genaue Gegenteil, dass nämlich Frau Dr. Laurie Montgomery sich zu einem echten Problem auswachsen würde. Ob sie vielleicht mit Michael darüber reden sollte? Doch nachdem sie erneut für kurze Zeit aus dem Fenster gestarrt hatte, holte sie plötzlich ihr Handy aus ihrer Louis-Vuitton-Handtasche, klappte es auf und drückte eine Taste.
»Loren? Geben Sie mir die Nummer von Dr. Harold Bingham.«
An Cynthia gewandt, sagte sie: »Ich möchte vollkommen sichergehen, dass Laurie Montgomery sich in Zukunft anständig benimmt.«
Dr. Walter Osgood war nervös. Während seines gesamten Gesprächs mit Simon Friedlander, dem Laborleiter des Angels Orthopedic Hospital, musste er an den Überraschungsbesuch dieser Gerichtsmedizinerin denken. Er hatte ihr erklärt, wieso er keine genaue Bestimmung des MRSA-Subtyps angeordnet hatte. Die Frau hatte wiederholt genickt, als hätte sie verstanden, aber irgendwie hatte er das Gefühl, als sei sie nicht so recht zufrieden damit. Es war eine eher unterschwellige, aber deutlich spürbare Ahnung, und genau die bereitete ihm ziemliche Bauchschmerzen.
Nach seiner Besprechung mit Simon, die ziemlich anstrengend gewesen war, weil er die ganze Zeit mit seinen nervösen Überlegungen im Zusammenhang mit Dr. Laurie Montgomerys Besuch beschäftigt war, fragte er Simon, ob er sein Bürotelefon für einen privaten Anruf benutzen könne. Nachdem er sich an den Schreibtisch des Laborleiters gesetzt hatte, bemerkte er ein Familienfoto. Einer von Simons Söhnen war im gleichen Alter wie Walters einziges Kind. Bevor er zum Hörer griff, nahm Walter das gerahmte Foto in die Hand, um sich den Jungen genauer anzuschauen. Das Kind mit dem blonden Wuschelkopf hatte das Gesicht zu einer einfältigen Grimasse verzogen, schaute aber glücklich und offensichtlich kerngesund in die Kamera. Walter musste gegen eine plötzliche Woge der Trauer, des Zorns und der Eifersucht ankämpfen. Er stellte das Foto an seinen Platz zurück, machte die Augen zu und holte einmal tief Luft, um seine Frustration angesichts der Ungerechtigkeiten des Lebens wieder in den Griff zu bekommen. Sein Sohn war im Augenblick alles andere als kerngesund, nachdem bei ihm eine seltene und schwere Form des Hodgkin-Lymphoms festgestellt worden war, die eine, wie seine Krankenversicherung sich ausgedrückt hatte, »experimentelle Behandlungsweise« erforderlich machte. Zurzeit hatte Walters Sohn keine Haare mehr und ein Viertel seines Gewichts verloren.
Nachdem er die Augen wieder aufgemacht hatte, holte Walter sein Portemonnaie hervor und nahm einen kleinen Zettel in die Hand, auf dem nur eine Telefonnummer mit der Vorwahl von Washington, D.C., stand. Sie war eigentlich nur für Notfälle gedacht, und er überlegte kurz, ob das jetzt einer war oder nicht. Dann gab er sich einen Ruck, nahm den Hörer in die Hand und wählte.
Es klingelte ein paarmal und Walter fing an zu überlegen, was er wohl auf die Mailbox sprechen sollte. Als er schon dachte, es würde sich niemand mehr melden, wurde plötzlich doch abgenommen, und eine tiefe, misstrauische Stimme sagte: »Was ist denn?« Mehr nicht.
»Hier spricht Walter Osgood«, sagte Walter, wurde aber sofort unterbrochen.
»Telefonieren Sie übers Festnetz?«
»Ja.«
»Legen Sie auf, und rufen Sie diese Nummer an«, sagte die Stimme, ratterte eine Nummer herunter und legte auf.
Hastig kritzelte Walter die Nummer auf den Rand eines an Simon adressierten Briefumschlags, dann wählte er. Sofort
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