Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
halten musste wie ihre Tränen, und erklärte mit ruhiger Stimme, wieso sie in die Klinik gefahren war und was sie über diese tödlich verlaufenden MRSA-Fälle, die trotz vorbildlicher Hygienemaßnahmen in den Angels-Healthcare-Kliniken aufgetreten waren, in Erfahrung gebracht hatte. Sie erzählte Bingham auch, dass sie keineswegs unangemeldet dort erschienen war, sondern von der Vorsitzenden der klinikinternen Hygienekommission eingeladen worden war, die sich als sehr gastfreundlich erwiesen und Laurie überall herumgeführt hatte.
Bingham räusperte sich in seine halb geschlossene Faust. Er musterte Laurie mit wässerigen Augen. Zumindest lässt er sich durch meine Sicht der Dinge teilweise besänftigen, dachte Laurie.
»Wie oft haben ich oder Dr. Washington Ihnen schon gesagt, dass das OCME die Laufarbeit prinzipiell den kriminaltechnischen Assistenten überlässt und dass Sie als Gerichtsmedizinerin hier zu bleiben und zu obduzieren haben?«
»Etliche Male«, gab Laurie zu.
»Ha!«, bellte Bingham. »Ohne übertreiben zu wollen, aber es muss über ein halbes Dutzend Mal gewesen sein. Wir beschäftigen Kriminaltechniker der Spitzenklasse. Und Sie sollen sie einsetzen! Lassen Sie die doch in Kliniken und an Tatorten herumschnüffeln. Wir brauchen Sie hier. Und falls Sie sich nicht ausgelastet fühlen … das lässt sich schnell ändern.«
»Ich habe genug zu tun«, behauptete Laurie und dachte an all die nicht abgeschlossenen Fälle, bei denen sie noch auf zusätzliche Informationen wartete.
»Dann gehen Sie an Ihre Arbeit zurück, und schließen Sie ein paar Fälle ab!«, sagte Bingham, und es klang endgültig. »Und halten Sie sich von den Angels-Healthcare-Kliniken fern.« Jetzt, wo das erledigt war, griff er in seine Ablage und holte eine Handvoll Briefe hervor, die er noch unterschreiben musste.
Laurie blieb sitzen. Bingham ignorierte sie und fing an, den ersten Brief durchzulesen.
»Sir«, begann Laurie. »Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«
Bingham hob den Blick. Es war ihm deutlich anzusehen, dass er überrascht war, Laurie immer noch vor sich sitzen zu sehen. »Aber schnell!«
»Bitte entschuldigen Sie, aber ich bin schon ein wenig verwundert darüber, dass Sie angesichts der Anzahl dieser MRSA-Fälle, von denen ich gesprochen habe, und der Tatsache, dass weder das Wie noch das Warum geklärt wurde, nicht stutzig geworden sind. Ich selbst stehe ehrlich gesagt vor einem großen Rätsel, und ich mache mir ernsthafte Sorgen.«
»Das sind offensichtlich therapeutische Komplikationen«, sagte Bingham. »Ich habe wirklich keine Ahnung, wie es dazu kommen konnte, aber ich weiß, dass sich etliche Epidemiologen bereits mit dem Problem beschäftigen. Und was die Anzahl angeht: Na ja, mir war schon klar, dass es mehr als ein, zwei Fälle sind, aber über zwanzig … das war mir nicht bewusst.«
»Wie haben Sie von der Sache erfahren?«
»Aus zwei verschiedenen Quellen. Zunächst einmal von Frau Dr. Dawson persönlich, schon vor mehreren Monaten. Sie hat mir mitgeteilt, dass sie die Gesundheitsbehörde eingeschaltet hat und dass der Epidemiologe des städtischen Gesundheitsamtes sich mit dem Fall befasst. Und dann von einem befreundeten Chirurgen. Er ist einer der Anteilseigner des Unternehmens und gehört zur Ärzteschaft des Angels Orthopedic Hospital. Bevor dieses MRSA-Problem aufgetreten ist, hat er die meisten seiner finanziell besser gestellten Patienten dort operiert. Er hält mich über die ganze Situation auf dem Laufenden, weil er mich und Calvin vor ungefähr einem Jahr dazu überredet hat, ebenfalls ein paar Anteilsscheine zu erwerben.«
»Was?«, erwiderte Laurie. »Sie sind Anteilseigner bei Angels Healthcare?«
»Aber auf keinen Fall Großinvestor«, meinte Bingham. »Mein Freund Jason hat mir die Sache empfohlen, nachdem er erfahren hatte, dass ein Börsengang bevorsteht. Dann habe ich meinen Börsenmakler gebeten die Empfehlung zu überprüfen. Nach seiner Einschätzung ist es eine viel versprechende Investition. Er hat selbst sogar mehr Anteile gezeichnet als ich.«
Laurie ließ langsam den Unterkiefer sinken. Verblüfft starrte sie Bingham an.
»Was ist denn los mit Ihnen?«, wollte Bingham wissen. »Warum tun Sie denn so überrascht? Es gibt doch eine große Nachfrage nach Spezialkliniken.«
»Ich bin schockiert«, musste Laurie zugeben. »Kennen Sie diese Angela Dawson?«
»Kennen wäre zu viel gesagt. Ich habe mich, wie gesagt, schon gelegentlich mit ihr unterhalten und
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