Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
habe sie sogar mal bei einem offiziellen Anlass im Rathaus getroffen. Eine sehr beeindruckende Frau. Warum fragen Sie?«
»Ihren Doktortitel, hat sie den in Medizin oder an einer anderen Fakultät gemacht?«
»Sie ist Dr. med. und approbierte Internistin.«
Lauries Entsetzen vergrößerte sich.
»Sie machen so ein komisches Gesicht, Laurie. Was geht in Ihnen vor?«
»Ich finde es ziemlich seltsam, dass Sie mir die Anweisung geben, die Angels-Healthcare-Kliniken in Ruhe zu lassen, während Sie gleichzeitig dort Anteilseigner sind und das Unternehmen in gewissen Schwierigkeiten steckt.«
Das Kapillarennetz auf Binghams Nase weitete sich. »Das ist eine Unterstellung, die ich Ihnen wirklich übel nehme«, dröhnte er.
»Bitte halten Sie mich nicht für aufsässig«, fügte Laurie schnell hinzu. »Aber ich habe Ihre ureigensten Interessen im Blick. Vielleicht wäre es das Beste, Sie erklären sich in diesem Fall für befangen.«
»Jetzt aber Vorsicht, junge Frau«, zischte Bingham von oben herab und richtete einen seiner dicken Finger auf Laurie. »Nur, damit wir uns nicht missverstehen. Ich hindere Sie in keinster Weise an der Untersuchung dieses Falles, schon gar nicht um meines Geldes willen. Ich gebe Ihnen lediglich die Anweisung, die Kliniken nicht mehr persönlich aufzusuchen, keine politisch einflussreichen Leute mehr zu vergraulen und mich nicht in peinliche Situationen zu bringen. Sie sollen lediglich die Lauferei den kriminaltechnischen Assistenten überlassen, was ich Ihnen seit Jahren predige. Haben wir uns verstanden?«
»Klar und deutlich«, erwiderte Laurie. »Aber umgekehrt sollten Sie auch wissen, dass meine Intuition mir sagt, dass hier irgendetwas sehr Merkwürdiges im Gang ist.«
»Das mag sein«, gestand Bingham zögerlich ein. Seine Wut war seit Lauries Ankunft eindeutig größer geworden. »Und jetzt gehen Sie zurück an Ihre Arbeit, und lassen Sie mich meine machen.«
Laurie befolgte seine Anweisung, doch noch bevor sie die Tür aufmachen konnte, rief Bingham ihr hinterher: »Soweit ich weiß, hat Ihre Intuition Sie noch nie im Stich gelassen. Also halten Sie mich auf dem Laufenden, und gehen Sie um Himmels willen der Presse aus dem Weg.«
»Das mache ich«, versprach Laurie. Es war in der Vergangenheit ein paarmal vorgekommen, dass sie unwissentlich vertrauliche Informationen an die Medien weitergeleitet hatte.
Als sie im Fahrstuhl unterwegs in den vierten Stock war, wusste sie nicht recht, ob sie stolz auf sich sein sollte, weil sie nicht in Tränen ausgebrochen war, oder unzufrieden, weil sie Bingham provoziert hatte. Von der Tendenz her eher das Letztere. Es war völlig überflüssig gewesen, ihm Befangenheit zu unterstellen – das glaubte sie ja nicht einmal selbst. Das war eine Reaktion auf den Schock, als sie erkannt hatte, dass ihr Chef ein Unternehmen unterstützte, dessen ethische Grundsätze im besten Fall als fragwürdig zu bezeichnen waren.
Innerlich vollkommen aufgewühlt, ließ Laurie ihr eigenes Büro links liegen und machte sich auf den Weg zu Jack. Nach all den Prügeln, die sie von Bingham und der mächtigen und politisch einflussreichen Angela Dawson bezogen hatte, brauchte sie jetzt erst einmal ein wenig Trost. Doch zu ihrer Enttäuschung saß Jack nicht an seinem Schreibtisch.
»Wo ist Jack?«, erkundigte sie sich bei Chet, der regungslos in sein Mikroskop starrte. Er hatte gar nicht gehört, wie sie hereingekommen war.
»Er ist wieder mal auf einer seiner Exkursionen«, sagte Chet und hob den Blick.
»Was heißt das?«
»Du kennst doch Jack: Je mehr Debatten, desto besser! Er hat einen Fall obduziert, in dem es drei verschiedene Meinungen bezüglich der Todesursache gibt. Es geht um einen Bauarbeiter, der aus dem zehnten Stock auf einen Betonboden gestürzt ist.«
»Ich kenne den Fall«, meinte Laurie. »Was hat er denn vor?« So wütend, wie Bingham auf ihr eigenmächtiges Vorgehen reagiert hatte, hoffte sie auf Jacks Diskretion – eine Tugend, die er oft genug vermissen ließ.
»Woher soll ich das wissen? Er hat irgendwas gesagt, dass er das Verbrechen nachstellen will, aber falls er nicht persönlich aus dem zehnten Stock springen will, habe ich keine Ahnung, was er damit gemeint hat.«
»Kannst du ihm ausrichten, dass ich nach ihm gefragt habe?«
»Mach ich«, erwiderte Chet gutmütig.
Laurie wollte gerade wieder gehen, da fiel ihr ein, dass Chet ja auch noch einen MRSA-Fall gehabt hatte.
»Ach ja«, meinte er. »Jack hat gesagt, dass dich das
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