Montgomery & Stapleton 08 - Die Hand des Bösen
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»Kenne ich«, erwiderte der Oberkellner. »Und Sie sind heute Morgen schon der zweite Herr, der sich nach ihr erkundigt. Bis jetzt war sie noch nicht beim Frühstück.«
»Danke«, sagte Neil ermutigt. Sie musste also unter der Dusche gewesen sein, als er vorhin angerufen hatte. Er ließ sich von der Platzdame zu einem Zweiertisch am Fenster bringen, setzte sich jedoch nicht hin. »Wo finde ich das nächste Haustelefon?«
»Im Flur bei den Toiletten«, sagte die junge Frau und zeigte ihm die Richtung.
Neil bedankte sich und ging hastig hinüber. Erneut schlug ihm das Herz bis zum Hals. Er war überrascht. Mit einer solch heftigen Aufregung hatte er nicht gerechnet, und so fragte er sich, ob er für Jennifer vielleicht doch mehr empfand, als er sich eingestehen wollte. Erneut meldete sich die Telefonzentrale, und Neil ließ sich mit Jennifers Zimmer verbinden. Dieses Mal würde er sie garantiert erwischen. Er hatte sich sogar schon einen einleitenden Satz überlegt. Aber er brauchte keinen. Wie vorhin schon hörte das Telefon einfach nicht auf zu klingeln.
Schließlich legte Neil auf. Er war sich so sicher gewesen, dass sie ans Telefon gehen würde, und dementsprechend war seine Enttäuschung jetzt noch größer als zuvor. Er stellte sich sogar die irrationale Frage, ob sie womöglich von seinem Kommen erfahren hatte und ihm absichtlich aus dem Weg ging. »Das ist wirklich so was von lächerlich«, murmelte er vor sich hin, nachdem die zurechnungsfähigere Seite seines Ichs sich wieder zu Wort gemeldet hatte.
Ein gutes Frühstück war jetzt bestimmt genau das Richtige, und so ging er zu seinem Tisch zurück. Ob ihre Abwesenheit vielleicht mit diesem anderen Herrn zusammenhing, der sich nach ihr erkundigt hatte? Im Laufe dieser Überlegungen stellte er noch etwas fest: Er war eifersüchtig.
Mit Blick auf den Restaurant-Eingang setzte er sich an seinen Tisch, griff nach der Speisekarte und winkte nach der Bedienung.
Inspektor Naresh Prasad dirigierte seinen Dienstwagen, einen altehrwürdigen weißen Ambassador, in die Einfahrt des Amal Palace und trat auf der Steigung zum Hoteleingang noch einmal aufs Gas. Es ging jetzt auf neun Uhr zu, und vor dem Hotel standen zahllose Autos, die irgendwelche Geschäftsleute ins Freie entließen.
Als Naresh an der Reihe war, winkte ihn einer der makellos gekleideten, Turban tragenden Türsteher nach vorne und bedeutete ihm mit ausgestreckter Hand, anzuhalten. Dann machte er die Tür des Ambassador auf und salutierte, als Naresh aus dem Wagen stieg.
Naresh hatte dieses Ritual schon öfter mitgemacht und zeigte ihm die aufgeklappte Brieftasche mit seinem Dienstausweis. Dazu reckte er den ausgestreckten Arm weit nach oben, damit der groß gewachsene Türsteher den Ausweis lesen und auch das Foto überprüfen konnte, wenn er dazu Lust hatte. Naresh war sich bewusst, dass diese Szene durchaus eine gewisse Komik besaß. Neben seinen einen Meter sechzig sah der über zwei Meter große Sikh aus wie ein absoluter Gigant.
»Ich möchte, dass der Wagen hier oben in der Nähe abgestellt wird, und zwar so, dass ich schnell losfahren kann, wenn es nötig ist.«
»Jawohl, Inspektor Prasad«, erwiderte der Türsteher, was darauf schließen ließ, dass er den Ausweis sorgfältig studiert hatte. Er schnippte mit den Fingern und signalisierte einem der uniformierten Parkwächter, wo er den Wagen abstellen sollte.
Etwas verunsichert versuchte Naresh, sich so groß wie irgend möglich zu machen, als er die wenigen Stufen zur Doppeltür des Hotels emporstieg und an einer Gruppe Hotelgäste vorbeikam, die auf ihren Wagen wartete. Im Inneren ließ er den Blick durch das großzügige Foyer schweifen und überlegte, wie er jetzt am besten weiterverfahren sollte. Wahrscheinlich war es am sinnvollsten, die Hilfe eines Portiers in Anspruch zu nehmen. Da er auf keinen Fall auffallen wollte, wartete er geduldig, bis die beiden Portiers die Reservierungswünsche diverser Hotelgäste für das Abendessen entgegengenommen hatten.
»Was kann ich für Sie tun, Sahib?«, erkundigte sich einer der förmlich gekleideten Portiers mit charmantem Lächeln. Naresh war beeindruckt. Die beiden Männer strahlten eine Munterkeit aus, die annehmen ließ, dass die Arbeit ihnen wirklich Spaß machte, und das war ein Phänomen, dem Naresh in dem riesigen indischen Beamtenapparat, mit dem er tagtäglich zu tun hatte, nur selten begegnete.
Weil er auch weiterhin darauf bedacht war, möglichst wenig Aufsehen zu
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